Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition)
ihre Schlüsselbeine unter der blassen Haut ab, die Knochen an ihren Handgelenken. Aus irgendeinem Grund fühlte Jones sich an Eloise erinnert, und auch an Marla Holt. Er fragte sich, wieso ausgerechnet er sich auf einmal inmitten dieser traurigen, unglücklichen Frauen wiederfand. Du konntest noch nie widerstehen, wenn Not an der Frau war , hatte Maggie gesagt. Vielleicht hatte sie recht.
Robin O’Conner stand hinter der Theke. Vor ihr saß ein Trucker, dessen Teller mit mehr Essen gefüllt war, als Jones in den letzten zwei Tagen zu sich genommen hatte: Eier, Hash Browns, Speck, Würstchen, dazu zwei Biskuits, die in Sauce schwammen. Trotzdem war der Mann, der sich über den Teller beugte und genussvoll aß, so breit wie einer von Jones’ Oberschenkeln. Die Welt war ungerecht.
Robin kam und stützte sich lächelnd auf den Tresen.
»Was darf es sein?«
»Nur einen Kaffee, bitte«, sagte Jones, »danke.«
»Sicher? Sie sehen aus, als hätten Sie Hunger.«
Jones blinzelte zu dem Trucker hinüber.
»Ich würde das Gleiche nehmen wie er, aber ich fürchte, danach würde ich tot umfallen.«
»Schauen Sie ihn sich nur an«, flüsterte Robin, »sicher sieht er im Minirock besser aus als ich.«
»Auf keinen Fall.« Jones meinte es nett, väterlich. Er klang kein bisschen überheblich oder schmeichlerisch.
»Sie Charmeur«, sagte Robin, während sie ihn immer noch zuckersüß anlächelte. »Ich hole Ihnen Toast und ein Eiweißomelett.«
»Prima.«
Nachdem der Trucker gegangen war, waren sie allein, abgesehen von dem Koch, der vermutlich in der Restaurantküche stand. Jones verstand, warum Robin ihre Miete nicht zahlen konnte. In dieser Gegend gab es weder Büros noch Geschäfte und somit auch keine Gäste, die in der Mittagspause gekommen wären. Das Diner stand einsam gegenüber von dem Motel an einer ruhigen, zweispurigen Landstraße. Trucker, die eine Rast einlegten, Motelgäste, Camper und Wanderer auf dem Weg in die Berge – das waren vermutlich die Einzigen, die hierherkamen.
»Noch etwas?«, fragte Robin.
»Ich bin nicht nur zum Essen gekommen. Können wir uns unterhalten?«
Ihr Gesicht erstarrte vor Angst. Sie drehte sich um, wich vom Tresen zurück.
»Keine Sorge«, sagte Jones und hob die Hände, »Paula Carr schickt mich.«
Sie reagierte immer noch nicht. Jones sprach weiter. »Ich kann mir keinen Reim auf die Sache machen, vermute aber, dass sie ihren Ehemann verlassen, nicht aber Ihren Sohn allein zurücklassen wollte.«
Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
»Und jetzt ist sie weg. Ich weiß nicht, wohin.«
»Wo ist Cole?« Ihre Stimme war ein ersticktes Flüstern.
Darüber hatte Jones noch gar nicht nachgedacht. Wie dumm von ihm.
»Ich nehme an, er ist bei seinem Vater.«
»Er würde seinen Vater nie verlassen.« Eine Träne kullerte ihr über die Wange. Sie wischte sie ab. »Er liebt Kevin.« Sie klang traurig, aber nicht verbittert.
»Ich habe Cole vor Kurzem gesehen«, sagte Jones, »er hat einen gesunden, gepflegten Eindruck gemacht.«
Robin lächelte erleichtert.
»Ich vermisse ihn so sehr.«
»Kevin hat Paula erzählt, Sie hätten ihn gebeten, Cole aufzunehmen, weil Ihr neuer Freund den Jungen nicht leiden könne. Er hat angedeutet, Sie hätten ein Drogen- und Alkoholproblem.«
Robin brach in unkontrolliertes Schluchzen aus.
»Nein«, stieß sie hervor, »niemals!«
Jones bedeutete ihr, mit ihm in einer der Sitzecken Platz zu nehmen. Sie trat um den Tresen herum und ließ sich auf das rote Kunstleder fallen. Aus der Küche war kein Geräusch zu hören. Der Parkplatz war leer.
»Ich sollte mich zusammenreißen«, sagte sie, zog eine Serviette aus dem Halter, trocknete sich die Augen und putzte sich die Nase. Sogar wenn sie weinte, war sie hübsch. »Wer sind Sie?«
»Ich bin Jones Cooper«, sagte er, »und ich bin Privatdetektiv. Ich arbeite im Auftrag von Mrs. Carr.«
Der Satz fühlte sich wie eine Lüge an, dabei kam er der Wahrheit ziemlich nah. Schweigend akzeptierte sie die Erklärung. Offenbar stand ihm die Rolle.
»Er sollte nur für den Sommer dortbleiben«, sagte Robin. Sie hielt inne, faltete die Hände, schien nach Worten zu suchen. »Cole und ich hatten ständig Streit. Er hat sich in der Schule einer Schlägertruppe angeschlossen. Ich habe einen Joint in seinem Rucksack gefunden. Wir hatten jeden Tag Ärger. Es war furchtbar. Ich dachte schon, ich müsste ihn in eines dieser Erziehungscamps schicken.«
Jones beobachtete ihre Mimik und Gestik, wie sie die
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