Gnade
welche Informationen sie dort gefunden hat?«
»Sie sagte, ihr Mann würde illegale Geschäfte mit Geld machen.«
Theo rieb sich das Kinn. »Wieso hat sie Ihrer Meinung nach ihren Anwalt angewiesen, die Kopien erst nach ihrem Tod zu versenden? Warum hat sie John nicht einfach sofort verhaften lassen?«
»Das verstehen Sie nicht.«
»Dann helfen Sie mir, es zu verstehen!«, drängte er.
»Catherine hatte viele gute Eigenschaften, aber sie wollte auch immer alles unter Kontrolle haben. Sie musste stets bestimmen, wie die Dinge liefen, und sie verlangte, dass ihr Mann sein Treueversprechen, das er bei der Eheschließung abgegeben hatte, einhielt.« Sie schüttelte den Kopf und setzte hinzu: »Sie hätte ihn nie gehen lassen, und nach ihrem Tod sollte ihn auch keine andere Frau bekommen. Catherine hatte vor, die Papiere, die sie Mr. Benchley übergeben hatte, eventuell zu nutzen, um ihn …«
»Um ihn zur Vernunft zu bringen?«, fragte Theo.
»Ja.«
»Kennen Sie Johns Freunde?«
Rosa verneinte. »Er hat nie jemanden zu sich nach Hause eingeladen. Ich denke, er wollte Catherine vor allen anderen verstecken. Er schämte sich ihretwegen, aber selbst als sie sich in ihr Bett zurückzog und ihr Zimmer so gut wie nie mehr verließ, hat er keine Freunde empfangen.«
Theo klappte sein Notizbuch zu. »Darf ich Ihnen eine persönliche Frage stellen?«
»Ja, sicher.«
»Warum fürchten Sie sich vor der Polizei?«
Sie schaute auf ihre Hände. »Mein Sohn ist letztes Jahr in Schwierigkeiten geraten. Die Polizisten kamen mitten in der Nacht hierher und zerrten ihn aus dem Bett. Er wurde ins Gefängnis gebracht, und ich habe entsetzliche Ängste ausgestanden. Catherine rief ihren Anwalt an, und er nannte ihr den Namen eines Verteidigers, der meinem Jungen helfen konnte.«
»War das ein Strafverteidiger?«
»Ich glaube schon«, sagte sie. »Mein Sohn ist jetzt auf Bewährung frei, aber jede Nacht, wenn er nicht nach Hause kommt, fürchte ich, dass man ihn wieder eingesperrt hat. Er hat sich mit schlechten Menschen eingelassen, und ich bete jeden Abend zu Gott, dass er seine Hand schützend über meinen Jungen halten möge. Er ist ein guter Junge«, flüsterte sie. »Aber er ist ein Mitläufer und tut alles, was ihm diese schlimmen Leute sagen.«
»Welche Art von Schwierigkeiten hatte er denn?«
»Drogen«, sagte sie und bekreuzigte sich wieder. »Er hat Leuten Drogen verkauft. Damit hat er aber aufgehört«, versicherte sie. »Er hat es mir versprochen.«
Theo nickte. »Ich verstehe. Ich möchte Ihnen nicht das Leben schwer machen, aber es gibt da etwas, was ich brauche, Rosa … und Sie haben es, stimmt’s?«
38
Gott segne Catherine Russell und ihre Besessenheit, alles doppelt zu besitzen!, dachte Theo. Als er Rosa Vincetti den Besuch abstattete, hatte er fest auf diese Zwangsneurose gebaut. Und Catherine enttäuschte ihn nicht. Sie hatte tatsächlich einen zweiten Ausdruck von Johns Dateien gemacht und Rosa zum Aufbewahren gegeben.
Theo hatte nicht damit gerechnet, dass Rosa John verdächtigte, seine Frau umgebracht zu haben, aber dann begriff er, dass ihn bei diesem Mann nichts mehr überraschen sollte. John Russell war anscheinend zu allem fähig.
Die Kopien der Papiere, die Catherine Michelle hatte zukommen lassen, lagen neben ihm auf dem Beifahrersitz. Theo wusste, dass er noch ein paar Stunden brauchte, bis er den Code endgültig geknackt hatte. Bisher hatte er nur einen flüchtigen Blick darauf geworfen und immerhin so viel verstanden, dass er diesen Mistkerl wegen Steuerhinterziehung, Erpressung, Betrugs, Insidergeschäften und anderer Delikte festnageln konnte. Detective Harris hatte Michelle gegenüber erwähnt, dass die Seite, die sie aus dem Umschlag gezogen hatte, so ähnlich aussah wie eine Finanzaufstellung, und damit hatte sie Recht gehabt. Bei den anderen Aufzeichnungen handelte es sich um eine Aufschlüsselung sämtlicher Transaktionen, die John jemals vollzogen hatte. Theo war davon überzeugt, dass diese Geschäfte illegal waren, und als er in Richtung Bowen fuhr, listete er im Geiste alle Anklagepunkte auf, die er geltend machen konnte. Sie genügten, um John Russell für den Rest seines Lebens hinter Gitter zu bringen. Und zu alldem kam noch ein Mordversuch hinzu. Theo war sicher, dass John in der Nacht zuvor zu jenen Männern gehört hatte, die auf Michelle und ihn geschossen hatten, aber das vermochte er ihm nicht nachzuweisen – noch nicht. Zudem wollte er Gerechtigkeit für Catherine,
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