Gnade
Theo fuhr zu dessen Firma und betrat die Eingangshalle. Er hatte sich bereits einen Vorwand ausgedacht, um sich von der Empfangsdame ein Foto von Lynch zu beschaffen, aber es war gar nicht nötig, irgendwelche Lügen vorzubringen. Noch in der Tür blieb Theo abrupt stehen. Er bemerkte, dass Aufnahmen von sämtlichen Brokern der Firma den Eingangsbereich zierten. Er ging ein wenig näher und las die Namen unter den Bildern. Schließlich entdeckte er ein großes Farbfoto von Cameron Lynch. Theo warf einen Blick auf die Empfangsdame. Sie trug ein Headset und sprach gerade in das kleine Mikrofon. Sie lächelte Theo zu, und der erwiderte das Lächeln. Dann nahm er kurzerhand das Foto von der Wand, drehte sich um und ging wieder hinaus.
Für seinen nächsten Besuch brauchte er Hilfe. Er rief Captain Welles an, jenen Mann, der die Laudatio bei der Preisverleihung gehalten hatte, und bat ihn um Unterstützung. Dann fuhr er zu Cameron Lynchs Apartment, das sich in einer verwahrlosten Gegend neben lauter ehemaligen Lagerschuppen befand. Theo stellte seinen Wagen ein Stück vom Haus entfernt ab und wartete auf die zwei Polizisten, die Captain Welles zu schicken versprochen hatte.
Die beiden Männer hielten fünfzehn Minuten später hinter ihm. Detective Underwood, der ältere von beiden, schüttelte Theo herzlich die Hand.
»Der Captain hat erzählt, dass Sie der Mann sind, der den Grafen hinter Schloss und Riegel gebracht hat. Es ist mir eine Ehre, Sie kennen zu lernen.«
Dann trat Detective Basham vor. »Ich habe Ihre Rede bei dem Bankett gehört.«
Theo begrüßte die beiden Männer und zeigte ihnen dann Camerons Foto. »Das ist der Mann, den ich haben will.«
»Der Captain sagte, wir sollten Cameron Lynch wegen versuchten Mordes festnehmen. Sie haben angeblich Augenzeugen«, sagte Basham.
»Ich selbst bin einer der Augenzeugen. Lynch hat versucht, mich und eine Bekannte von mir umzubringen.«
Die beiden Männer blickten Theo überrascht an, fragten aber nicht weiter nach.
»Wir haben uns bereits in der Nachbarschaft umgesehen. Sein Auto steht nicht hier«, berichtete Underwood.
»Wie sollen wir vorgehen?«, erkundigte sich Basham. »Der Captain hat angekündigt, dass Sie uns spezielle Anweisungen geben würden.«
»Gehen Sie davon aus, dass er bewaffnet und äußerst gefährlich ist!«, sagte Theo. »Lesen Sie ihm seine Rechte vor, wenn Sie ihm die Handschellen anlegen, und nehmen Sie ihn mit aufs Präsidium. Aber buchten Sie ihn nicht sofort ein. Ich möchte, dass er in einen Verhörraum gebracht wird, damit ich ihn befragen kann. Und ich möchte nicht, dass sein Name im Computer auftaucht, zumindest jetzt noch nicht.«
»Wir observieren das Haus. Wollen Sie mit uns warten?«
»Nein, ich muss noch etwas erledigen. Aber sagen Sie mir sofort über Handy Bescheid, sobald Sie ihn haben. Am späteren Abend können Sie mich auch in einer Bar namens Schwan in Bowen erreichen. Hoffentlich müssen Sie nicht allzu lange warten! Ich glaube jedoch, dass sich Lynch bereits auf dem Weg nach Hause befindet.«
Theo war sich seiner Sache ziemlich sicher. Nachdem Lynch einmal gesehen worden war, wollte er sich bestimmt nicht länger als nötig in Bowen aufhalten. Er wusste natürlich nicht, dass Theo mittlerweile die Verbindungen aufgedeckt hatte. Theo schrieb seine Nummer sowie die des Schwan auf einen Zettel und reichte ihn dem Detective. Danach schärfte er den Männern noch einmal ein, dass er, wenn Lynch in die Falle gegangen war, zu jeder erdenklichen Zeit benachrichtigt werden wollte.
»Ja, Sir, wir rufen Sie an«, versprach Basham. Er und Underwood machten Anstalten, wieder in ihren Wagen zu steigen.
»Einen Moment noch!«, rief Theo. Er blätterte in seinem Notizblock, bis er gefunden hatte, was er suchte. Dann bat er einen der beiden, ihm den Weg zu der Adresse zu beschreiben, die ihm Benchley genannt hatte.
Underwood erklärte ihm die schnellste Route und bemerkte: »Das ist eine üble Gegend. Seien Sie bloß vorsichtig!«
Theo fuhr durch die Innenstadt von New Orleans und suchte sich langsam seinen Weg durch die engen Straßen. Er war davon überzeugt, sich verirrt zu haben, aber nachdem er erneut abgebogen war, befand er sich plötzlich in der Straße, die er suchte. Er stellte den Wagen ab und rief Noah über Handy an.
»Schon etwas herausgefunden?«, wollte Noah wissen.
Theo erzählte ihm von Cameron Lynch. »Bitte Ben Nelson vorsichtshalber, nach einem blauen 92er Ford Taunus Ausschau zu halten.« Er gab
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