Gnade
gekommen?«
Theo wartete, bis sie sich ihm gegenüber niedergelassen hatte. Ein ovaler Glastisch stand zwischen ihnen. Theo stützte die Arme auf die Knie und erzählte Rosa, wie er Michelle Renard kennen gelernt hatte. Er versuchte, ihr die Beklommenheit zu nehmen und ihr verständlich zu machen, welche Beziehung er selbst zur Familie Renard unterhielt. Rosa hörte ihm aufmerksam zu.
Augenscheinlich war sie eine tief religiöse Frau. Im ganzen Raum fand man Hinweise auf ihre Frömmigkeit. An der Wand hinter ihr stand ein langer Couchtisch, der zum Altar umfunktioniert worden war. Ein Spitzendeckchen war darauf ausgebreitet, außerdem standen dort zwei brennende Votivkerzen sowie ein gerahmtes Bild von der heiligen Jungfrau Maria. Ein schwarzer Rosenkranz zierte den Rahmen.
Theo berichtete, was ihm und Michelle in der letzten Nacht passiert war. »Catherine hat Michelle einen Umschlag geschickt«, sagte er.
Rosa nickte. »Ja, ich weiß.«
Theo unterdrückte seine Erregung. Seine Vermutung traf also zu.
»Ich glaube, die Männer, die auf Michelle und mich geschossen haben, wollten diesen Umschlag in ihren Besitz bringen«, sagte er. »Aber sie hatten keinen Erfolg«, fügte er hinzu. »Derzeit hat die Polizei ihn in Verwahrung.«
Rosa richtete sich auf. »Hatten Sie Gelegenheit, die Papiere, die dort drin waren, zu lesen?«, fragte sie.
»Noch nicht«, gestand er. »Aber ich bin ziemlich sicher, dass John Russell hinter alldem steckt, und ich möchte ihn dingfest machen. Um das zu erreichen, brauche ich Ihre Hilfe.«
»Er ist ein böser Mann«, flüsterte sie. »Er wird nach seinem Tod in die Hölle kommen. Er hat sie umgebracht, müssen Sie wissen.« Sie sagte das so beiläufig, als hätte diese erschreckende Neuigkeit schon vor Wochen in der Zeitung gestanden.
»Er hat Catherine getötet?«
»Ja. Aber ich habe keinen Beweis dafür«, fügte sie hastig hinzu. »Tief in meinem Herzen weiß ich jedoch, dass er sie ermordet hat. Die Männer, die mit dem Krankenwagen kamen … einer von ihnen sagte mir, sie sei an einer Karamellpraline erstickt.« Sie schüttelte den Kopf. »Da wusste ich die Wahrheit.«
»Wieso?«
»Sie aß nie Karamell! Sie hatte eine lockere Zahnbrücke und machte sich ständig Sorgen, dass sie zerbrechen oder herausfallen könnte. Sie hätte niemals das Haus verlassen, um zu einem Zahnarzt zu gehen, also war sie extrem vorsichtig. Mr. Russell hat ihr jeden Abend eine Schachtel Pralinen mitgebracht und sie dann allein gelassen, um sich mit seinen Huren zu treffen. Catherine aß immer nur die weichen Pralinen. Eine mit Karamell hätte sie im Leben nicht angerührt!« Rosa bekreuzigte sich und faltete die Hände wie zum Gebet. »Sie müssen Beweise finden und John Russell einsperren. Es wäre eine Sünde, einen solch schlechten Mann davonkommen zu lassen. Sie müssen das für Catherine tun.«
Theo nickte. »Ich werd’s versuchen«, versprach er. »Catherine wusste von Johns Affären, oder? Das war der Grund, warum sie ihm nur hundert Dollar hinterlassen hat.«
»Ja, sie hat seine Telefonate belauscht. Wenn er mit seiner Geliebten sprach, sagte er schreckliche Dinge über sie. Sie hat tagelang geweint«, erzählte Rosa. »Und eines Abends hörte sie, wie er mit einem Mann über eine Einzahlung sprach, die er auf ein Konto im Ausland getätigt hatte. Er versuchte den Mann zu beruhigen und sagte, er müsse sich keine Sorgen machen, niemand könne von der Transaktion wissen und die Unterlagen seien alle in seinem Computer abgespeichert und niemand könne daran.«
Theo machte sich eifrig Notizen.
»Wie ist sie dann doch an seine Dateien gekommen? Woher kannte sie das Passwort?«
»John hat es ihr verraten«, sagte Rosa. »Natürlich ohne es zu wissen. Sie hat gehört, wie er am Telefon zweimal den Sowing Club erwähnte. Nachdem John am nächsten Tag zur Arbeit gegangen war, musste ich das Mädchen zum Einkaufen schicken. Dann half ich Catherine, aufzustehen und hinunter in die Bibliothek zu gehen. Sie tippte das Passwort in den Computer, bekam aber keinen Zugang zu den Unterlagen. Verstehen Sie – sie hatte es falsch geschrieben. Aber Catherine war eine sehr kluge Frau«, fügte sie hinzu. »Beim zweiten Mal lag sie richtig, und die Dateien ließen sich öffnen.«
»Also heißt es sowing, säen. Zuerst dachte sie wahrscheinlich an sewing, nähen.«
»Ja, genau«, stimmte Rosa zu. »So hat Catherine es mir auch erklärt.«
»Hat sie Ihnen auch erzählt, was für Dateien das waren,
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