Gnade
ihm die Zulassungsnummer durch und wies ihn an, Ben auf die Gefahr hinzuweisen, die von Lynch ausging. Wenn er den Ford aufspüre, solle er größte Vorsicht walten lassen.
»Meinst du, Ben kommt mit ihm zurecht?«, fragte Noah.
»Ja«, antwortete Theo. »Er weiß schon, was er tut. Mach ihm lediglich klar, dass Lynch einer der Schützen von letzter Nacht ist.«
»Ich bezweifle, dass Lynch noch in Bowen ist. Er wird befürchten, dass er identifiziert werden kann.«
»Ich glaube auch nicht, dass er noch da ist«, stimmte Theo seinem Freund zu. »Ich hoffe, er befindet sich bereits auf dem Heimweg, aber sicher ist sicher. Wie geht’s Michelle?«
»Sie verhält sich irgendwie merkwürdig«, stellte Noah fest. »Sie ist am Tisch eingeschlafen.«
»Ihre Nacht war ja auch sehr kurz.«
»Deine auch«, bemerkte Noah. »Jedenfalls macht sie sich gerade fertig, um mit mir und Jake zum Schwan zu gehen – und mit Jakes lächerlichem Sohn. Hast du schon etwas von Detective Harris gehört?«
»Nein, dabei habe ich ihr drei Nachrichten hinterlassen. Die ersten beiden waren noch einigermaßen höflich, die dritte allerdings nicht mehr.«
»Als ich heute Morgen in New Orleans war, habe ich mich ein wenig auf ihrem Revier umgesehen, wie du mir aufgetragen hast«, berichtete Noah. »Ich habe mich mit ihrem Chef unterhalten.«
»Hast du eine Kopie der Akte über Monk bekommen?«
»Nein. Der Chef sagte, Harris würde außerhalb der Stadt Ermittlungen anstellen. Er wollte mir nicht einmal einen Hinweis geben, wo sie sein könnte, und machte ziemlich deutlich, dass ich mich nicht einmischen soll. Die zwölf Stunden sind jedenfalls bald vorbei. Wann kommst du wieder nach Bowen?«
»Ich muss mich noch mit jemandem treffen, dann mache ich mich auf den Weg.«
»Ich muss jetzt Schluss machen«, sagte Noah. »Michelle ist anscheinend so weit. Bis später!«
Theo legte auf. Er griff nach seinem Notizblock und der Brille und steuerte auf das kleine Haus zu. Der winzige Garten war perfekt gepflegt. Den kurzen Weg zum Haus säumten sorgfältig angeordnete Blumenbeete. Das Haus dagegen konnte einen neuen Anstrich gebrauchen, und die Fensterrahmen waren regelrecht vermodert. Termiten, schoss es Theo durch den Kopf, während er zur Tür ging. Aus der Tatsache, dass der Garten makellos und das Haus eher vernachlässigt war, schloss er, dass sich die Bewohnerin gewissenhaft um all das kümmerte, was sie sich leisten konnte.
Er drückte auf den Klingelknopf und wartete. Aus dem Augenwinkel bemerkte er, dass sich der Vorhang am Fenster bewegte. Er klingelte noch einmal.
Eine Frauenstimme rief durch die Tür: »Was wollen Sie?«
»Ich suche nach Rosa Vincetti.«
»Sind Sie von der Polizei?«, fragte die Frau.
»Nein. Ich bin ein Freund von Jake Renard.«
Die Frau öffnete die Tür einen kleinen Spaltbreit, ohne die Sicherheitskette abzunehmen. »Ich bin Rosa«, sagte sie. »Was wollen Sie von mir?«
Sie war offensichtlich verängstigt. Theo hätte sich Zeit zum Rasieren nehmen sollen, dann hätte er nun einen vertrauenswürdigen Eindruck vermittelt. »Jake Renard hat mir erzählt, dass Sie sich öfter miteinander unterhalten haben, wenn er Catherine anrief.«
»Ja, das stimmt«, bestätigte sie.
Theo konnte das Gesicht der Frau nicht erkennen, denn sie versteckte sich hinter der Tür. Das Licht im Haus flackerte. Er vermutete, dass lediglich eine Kerze brannte.
»Sie sind nicht von der Polizei?«, erkundigte sie sich noch einmal.
»Nein, ich bin Anwalt«, erwiderte Theo.
Rosa löste die Kette und trat dann zurück, um Theo hereinzulassen. Theo blieb noch einen Moment lang draußen stehen. Weil er befürchtete, sie könnte in Panik geraten, wenn sie seinen Revolver erblickte, erklärte er knapp, warum er eine Waffe bei sich trug. Und als er geendet hatte, versicherte er, dass er keinesfalls vorhabe, ihr Schwierigkeiten zu machen.
Rosas Erscheinung überraschte ihn. Sie war beinahe so groß wie er und jünger, als er erwartet hatte. Er schätzte sie auf etwa fünfzig. Sie hatte graue Strähnen im dunklen Haar, dichte Augenbrauen und tiefbraune Augen.
»Mein Name ist Theo Buchanan«, stellte er sich vor und folgte ihr ins Wohnzimmer.
Sie nickte. »Ich weiß, wer Sie sind. Ich habe zu Gott gebetet, und er hat Sie zu mir geschickt.«
Theo hatte keine Ahnung, was er dazu sagen sollte, deshalb nickte er nur leicht verwirrt.
»Bitte, nehmen Sie Platz«, sagte Rosa und zeigte auf das graue Brokatsofa. »Warum sind Sie
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