Gnade
passierte.
»Wusste Catherine, dass Sie solche Angst vor der Polizei haben?«, hatte Theo sie gefragt.
»Ja«, antwortete sie. »Ich hab ihr alles erzählt. Wir standen uns sehr nahe. Sie konnte sich immer auf mich verlassen.«
Als sich Theo verabschiedete, sagte Rosa, dass sie jeden Tag damit rechne, in der Zeitung etwas über Johns Verhaftung zu lesen. Catherine habe ihr nämlich anvertraut, dass die Kopien seiner geheimen Dateien ihn für den Rest seines Lebens hinter Schloss und Riegel bringen würden.
»Was sollten Sie denn mit den Kopien tun?«, fragte er.
»Ich weiß es nicht. Catherine bat mich nur, sie an einem sicheren Ort aufzubewahren. Ich habe gebetet … und gewartet.«
»Gewartet – worauf?«
»Dass Gott mir sagt, was ich tun soll«, erwiderte sie.
Nachdem Theo ihr versichert hatte, dass die Kopien bei ihm in sicheren Händen seien, hatte er sich bedankt und war gegangen.
Er war nur noch zwei Blocks vom Krankenhaus entfernt und schaute auf die Digitaluhr am Armaturenbrett. Neun Uhr fünfzehn. Die Zeit flog nur so dahin. Kein Wunder, dass sein Magen knurrte und er ständig gähnen musste! Er hatte den ganzen Tag lang nichts gegessen. Er brauchte dringend Nahrung und Koffein. Nachdem er mit Michelle und Noah gesprochen hatte, konnte er sich vielleicht in der Krankenhaus-Cafeteria etwas besorgen.
Er passierte die Zufahrt und registrierte, dass kein Fahrzeug unter dem überdachten Eingang der Notaufnahme stand. Er bog direkt hinter dem Parkverbotsschild ab und stellte seinen Wagen auf einem der für die Polizei reservierten Parkplätze ab.
Bevor Theo das Gebäude betrat, kam ein Pfleger heraus. »Hey, Kumpel, dort können Sie nicht parken! Sie bekommen einen Strafzettel.«
»FBI!«, rief Theo nur und verschwand durch die Tür.
»Verdammt!«, knurrte John, als er beobachtete, wie Buchanan sein Auto gleich neben dem Eingang abstellte und ins Haus lief.
Dallas öffnete die Wagentür. »Ruf Preston und Monk an! Wir treffen uns im Treppenhaus an der Nordseite. Ich möchte mich mit ihnen abstimmen, nur für den Fall, dass Buchanan mir Schwierigkeiten macht.«
Während Dallas die Tür zuschlug und losrannte, tätigte John den Anruf. Nachdem er aufgelegt hatte, holte er seinen Laptop vom Rücksitz. Dann öffnete er das Handschuhfach, nahm den Zweitschlüssel heraus, den er beim Autoverleih verlangt hatte, und steckte ihn ins Zündschloss.
Dallas war offenbar erst jetzt auf die Idee gekommen, ihm zu misstrauen. Als John daran dachte, musste er unwillkürlich grinsen. Seine Freunde waren trotz ihrer kriminellen Energien ausgesprochen naiv, wenn es darum ging, Johns Fähigkeiten zu erkennen. Sie glaubten tatsächlich, dass er das Geld nicht ohne sie abheben konnte. Noch amüsanter war es, dass sich seine Arbeitsbienen einbildeten, er würde das Vermögen mit ihnen teilen. Vertrauen – was für eine wunderbare Waffe!
Er lehnte sich zurück und wartete. Es war eine schöne, milde Nacht. Vielleicht verlief alles glatt, und er brauchte gar nicht auf seinen Notplan zurückzugreifen. Aber Preston führte sich mittlerweile auf wie ein hirnloser Heißsporn. John war ziemlich sicher, dass sich sein Freund nicht zurückhalten konnte und von seiner Waffe Gebrauch machen würde. Dann ging die Sache für die anderen schlecht aus. Vielleicht würden sie sogar alle umkommen.
Und das wäre ein wahrer Glücksfall für John.
Theo wollte die Treppe in den ersten Stock hochlaufen, aber im Flur hörte er, wie Elliott Waterson nach ihm rief.
»Trainer, meine Eltern sind oben.«
Der Junge stand im Aufzug und hielt ihm die Tür auf. Theo trat in den Lift. »Wie geht’s dir, Elliott?«
Der Junge fing an zu weinen. Er sah aus, als hätte er Schlimmes durchgemacht – verschwollene Augen, rote Nase und gebeugte Haltung. Er flüsterte: »Haben Sie gehört, was ich meinem kleinen Bruder angetan habe?« Er schluchzte. »Ich habe ihn verletzt, Trainer! Ich habe ihn schwer verletzt.«
»Ich bin davon überzeugt, dass es ein Unfall war, Elliott.« Theo wusste, dass Michelle wegen eines Notfalls in die Klinik gerufen worden war und dass es sich bei dem Patienten um John Patrick handelte, jenen kleinen Jungen, der ihn gebeten hatte, den Alligator Lois zu erschießen. Aber Michelles Bruder hatte am Telefon keine Einzelheiten über das Ausmaß der Verletzung oder den Hergang des Unfalls genannt. Doch Theo wusste, dass Elliott seinem Bruder niemals absichtlich etwas getan hätte.
»Ich weiß, dass du John Patrick nicht
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