Gnade
das Klinikgelände. »Sieh mal, da ist Prestons Auto. Er und Monk sind bestimmt schon im Gebäude.«
»Der Parkplatz ist nahezu leer. Das ist schon mal gut.«
John verrenkte sich den Hals, um die Stellplätze der Ärzte in Augenschein zu nehmen. Er lächelte. »Da ist der Pick-up.«
»Clayborne hat sie offensichtlich nicht nur abgesetzt, er ist offenbar mit ihr reingegangen.«
»Dann ist er mit von der Partie.«
»Stell dich neben den dunkelroten Van hinter die Bäume«, wies Dallas ihn an.
John steuerte den Wagen zu der Stelle, drückte auf den Knopf, um das Fenster herunterzulassen, und schaltete den Motor aus. Dallas griff nach dem schwarzen Anorak auf dem Rücksitz und zog ihn an. In der Tasche steckte eine kleine Halbautomatik.
»Lass uns noch mal die verschiedenen Möglichkeiten durchgehen!«, sagte Dallas. »Buchanan und die Ärztin dürften kein großes Problem sein. Clayborne ist etwas anderes. Er ist trainiert und macht sicher Ärger. Wenn es schlecht läuft und Preston, Monk und ich im Gebäude zuschlagen müssen, wird er schießen und versuchen, uns aufzuhalten.«
»Dann müsst ihr ihn als Erstes ausschalten. Vergiss nicht, dass wir einen Vorteil haben: Clayborne rechnet nicht mit dem Angriff und wird total überrascht sein.«
»Aber vielleicht ahnt er etwas.«
»Du müsstest Buchanan nach draußen locken.«
»Wenn etwas schief läuft, dann …«
»Hör zu!«, John wurde ungehalten. »Monk werden dieselben Gedanken durch den Kopf gehen wie dir. Ihr beide könnt euch Clayborne vorknöpfen, und Preston übernimmt Buchanan.«
»Du bist echt ein Arschloch! Du solltest eigentlich mitkommen.«
»Die Ärztin weiß, wer ich bin. Es ist zu riskant. Sie könnte im Flur stehen und mich sofort erkennen. Nein, ich warte hier.«
Dallas zog den Zündschlüssel aus dem Schloss. John tat beleidigt. »Glaubst du, ich würde euch im Stich lassen?«
»Wenn du Schüsse hörst, könnte das durchaus passieren.«
John hob beide Hände hoch. »Okay, nimm den Schlüssel, aber steck ihn bloß irgendwohin, wo du schnell drankommst!«
John sah ein Auto über die Zufahrt rollen, und obwohl die Bäume sie vor unliebsamen Blicken abschirmten, duckte er sich. Der Wagen fuhr weiter. Von ihrem Platz aus hatten sie einen perfekten Überblick. Der Eingang der Notaufnahme lag direkt vor ihnen. Buchanan würde sein Auto entweder auf dem Besucherparkplatz oder neben dem Pick-up abstellen. So oder so konnte er Dallas und John nicht sehen.
»Wenn ich gezwungen bin, nach ihm reinzugehen … der Schuss könnte nach hinten losgehen«, überlegte Dallas laut.
»Denk an das Geld«, empfahl John, und seine Stimme klang schmeichelnd. »Denk einfach nur an das viele Geld!«
Sie ließen sich beide tiefer in die Sitze sinken und warteten schweigend.
40
Bevor Theo zum Krankenhaus fuhr, machte er noch einmal Halt. Er ging in einen PakMail-Laden, machte Kopien von den Unterlagen, die ihm Rosa mitgegeben hatte, und rief von dem Geschäft aus seinen Vorgesetzten in Boston an, um ihn von den Geschehnissen in Kenntnis zu setzen. Während er mit ihm sprach, faxte ein Angestellter von PakMail die Papiere nach Boston. Dann wählte Theo die Nummer der FBI-Dienststelle vor Ort, erfragte ihre Fax-Nummer und ließ alle Dokumente auch dorthin schicken. Und da er müde war und zudem ein wenig paranoid, faxte er alles noch einmal zu sich nach Hause.
Als er den Stadtrand von St. Claire erreichte, bemerkte er, dass der Akku seines Handys fast leer war. Er wollte unbedingt noch Ben anrufen und ihn bitten, zum Krankenhaus zu kommen, damit er auch ihm Kopien übergeben konnte. Er beabsichtigte, ihn in alle Ermittlungen einzubeziehen. Doch er beschloss, zu warten und sich erst von der Klinik aus bei Ben zu melden. Als er an einer roten Ampel stehen blieb, stapelte er die Papiere und verstaute sie im Handschuhfach. Er war sicher, an alles gedacht zu haben. Sein Boss würde die Unterlagen an seinen Freund bei der Steuerbehörde weiterleiten.
Er ließ noch einmal das Gespräch mit Rosa Vincetti Revue passieren. Die arme Frau hatte wirklich schreckliche Angst vor der Polizei, und er konnte ihr das nach ihren Erfahrungen nicht verübeln. Die Beamten hatten ihr mitten in der Nacht die Tür eingetreten und waren mit den Waffen im Anschlag durch ihr Haus gestürmt, um ihren Sohn aus dem Bett zu zerren. Sie legten ihm Handschellen an und nahmen ihn mit. Seit dieser Nacht lebte Rosa verständlicherweise in der ständigen Furcht, dass so etwas noch einmal
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