Gnade
angerufen.«
Theo betrachtete das alte Sofa auf der anderen Seite des Raums. Einer der Einbrecher hatte es mit einem Messer bearbeitet. Das burgunderfarbene Leder war zerfetzt, und die Füllung quoll heraus. Es sah so aus, als hätte hier jemand seine Aggressionen herausgelassen.
»Sehen Sie sich an, was diese Kerle mit meiner Tür gemacht haben! Sie ist zwar immer zu, aber ich schließe sie nie ab. Sie hätten nur am Knauf drehen müssen. Aber sie haben sich mächtig angestrengt, um sie einzutreten.«
»Vielleicht ist ihnen da gerade klar geworden, dass Sie keine einschlägigen Medikamente im Haus haben.«
»Und das hat sie derart in Rage gebracht?«
»Möglich.«
Michelle ging in den Flur. »Warten Sie, bis Sie den Rest sehen.«
Theo blieb auf der Schwelle stehen und betrachtete das Chaos.
»Was machen Sie?«
»Ich versuche mir ein Bild zu machen, ein Muster zu erkennen.«
»Was für ein Muster?«
Er schüttelte den Kopf. »Warum haben Ihr Bruder und Ihr Vater noch nicht angefangen, hier Ordnung zu schaffen? Jake hat mir erzählt, dass er es angeboten hat, aber Sie wollten nicht, dass er etwas anrührt. Warum nicht?«
»Ich muss zuerst die Akten wieder ordnen. Die Patientenakten sind vertraulich, und ich muss sicher sein, dass die Unterlagen und Berichte in die richtigen Ordner kommen.«
»Ich dachte, Sie hätten die Praxis gerade erst eröffnet.«
»Das stimmt ja auch.«
»Woher kommen dann die vielen Patientenakten?«
»Das ist Dr. Robinsons Kartei. Er ist vor zwei Monaten weggezogen und hat mir seine Kartei überlassen. Ich wusste, dass er Bowen hasste, aber dass er seine Patienten im Stich lassen würde, hätte ich nicht von ihm gedacht. Er hat zu meinem Dad gesagt, das Leben sei zu kurz, um es in einem solch ›gottverlassenen, armseligen Nest‹ zu verbringen.«
»Bei der Einstellung müssen ihn seine Patienten geradezu geliebt haben«, bemerkte Theo.
»Sie mochten ihn nicht besonders, und sie haben ihn nur aufgesucht, wenn es gar nicht mehr anders ging. Sie wussten, wie er über ihr Städtchen dachte … und über sie selbst. Wollen Sie den Empfangsbereich auch noch sehen?«
»Klar.« Er folgte ihr zu dem kleinen Büro der Arzthelferin hinter der Empfangstheke. Von der Glaswand waren nur noch Scherben übrig, die auf dem Boden lagen. Auch das Fenster neben den Aktenschränken war zerbrochen. Theo durchquerte den Raum, um es sich genauer anzusehen. Dann richtete er den Blick auf den Boden und nickte.
»Passen Sie auf, wo Sie die Füße hinsetzen«, warnte Michelle.
Obwohl es kaum möglich erschien, war dieser Bereich noch schlimmer zugerichtet. Die Theke war aus der Wandverankerung gerissen und das Holz zersplittert, und darauf türmten sich zerfetzte Karteikarten und Papiere. Die Polsterung der Stühle im Wartebereich war ebenfalls aufgeschlitzt. Die Stühle konnten mit Sicherheit nicht mehr repariert werden.
Theo ließ den Blick konzentriert über das Durcheinander schweifen.
»Zum Glück habe ich Urlaub!«, unterbrach Michelle seine Gedanken.
»Es wird bestimmt mehr als zwei Wochen dauern, bis das hier wieder in Ordnung gebracht ist.«
»O nein«, widersprach sie. »Zwei Freundinnen kommen extra aus New Orleans her. Wir dürften nicht mehr als einen Tag brauchen, um die Akten und Karteien einzuräumen. Die beiden sind Krankenschwestern und wissen, wie man so etwas ordnet. Wenn der Papierkram aus dem Weg ist, können Daddy und John Paul mir helfen, die Wände zu streichen. Ich habe zwar genügend Zeit, aber leider nicht das Geld, um die kaputten Möbel zu ersetzen.« Sie hob einen der Stühle auf und stellte ihn an die Wand, dann bückte sie sich, um die weiße Füllung wieder unter den Stoff zu stopfen. »Ich befürchte, Isolierband muss für den Moment genügen.«
»Ich würde Ihnen gern etwas Geld leihen.«
Das war definitiv der falsche Vorschlag. Michelle schoss in die Höhe wie eine Rakete, und ihr Gesichtsausdruck verriet ihm, dass er sie beleidigt hatte.
Sie ließ ihm keine Zeit, Schadensbegrenzung zu betreiben. »Ich will Ihr Geld nicht. In Bowen regeln wir unsere Angelegenheiten stets selbst. Wir erwarten nicht von Fremden, dass sie uns aus finanziellen Engpässen befreien.«
»Sie sind sehr stolz. Ich habe nur versucht …«
»Einem kleinen Mädchen aus der Patsche zu helfen? Ich will nicht unhöflich sein, aber Sie sind ein Fremder, und Sie verstehen nicht, wie wichtig es für mich ist, die Praxis allein auf die Beine zu stellen.«
»Sie haben mir das Leben
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