Gnade
gerettet, und ich wollte nur …« Ihr finsterer Blick ließ ihn verstummen. »Sie haben Recht. Ich verstehe es nicht, aber ich habe auch nicht vor, Sie zu irgendetwas zu überreden. Entschuldigen Sie bitte! Ich wollte Sie nicht kränken.«
Ihre Miene wurde wieder weich. »Hören Sie, ich weiß, dass Sie es gut meinen, aber das hier ist nicht Ihr Problem. Es ist meins, und ich werde schon damit fertig.«
Er hob die Hände. »Da bin ich mir sicher«, sagte er. »Aber jetzt erzählen Sie mir, was der Polizeichef gesagt hat! Hat er einen Verdacht, wer für dieses Chaos verantwortlich sein könnte?«
»Noch nicht«, sagte sie. »Aber selbst wenn er die Jungs erwischt, entschädigt mich das nicht. Niemand in dieser Gegend hat Geld. Ihnen ist bei der Fahrt durch den Ort sicherlich aufgefallen, dass es hier keine Villen gibt. In den meisten Familien müssen zwei Leute Vollzeit arbeiten, damit sie alle einigermaßen durchkommen.«
Theo deutete mit dem Kinn auf den Empfangsbereich. »Das sieht wirklich ziemlich schlimm aus.«
»Es ist ein Rückschlag, aber ich werde mich schon davon erholen.«
»Und was ist mit der Versicherung?«
»Die wird die Kosten ein wenig senken, aber sicher nicht für alles aufkommen. Ich musste ein Vermögen für die Haftpflichtversicherung hinblättern, da war für anderes nicht mehr viel übrig. Um Geld zu sparen, habe ich sofort eine Menge Unkosten von der Steuer abgesetzt, statt die Anschaffungen nach und nach abzuschreiben.« Ohne Luft zu holen, wechselte sie das Thema. »Brauchen Sie Hilfe, um die Kiste mit Dr. Coopers Sachen hereinzubringen?«
»Nein.«
»Sie können sie hinten in den Flur stellen und sich dann auf den Weg machen. Die Fische beißen so spät am Nachmittag nicht mehr, aber Sie können sich bei Dad in aller Ruhe einrichten.«
Sie versuchte ihn loszuwerden und machte kaum einen Hehl daraus. Offensichtlich wusste sie noch nicht, mit wem sie es zu tun hatte. Theo war mindestens genauso eigensinnig wie sie, und er hatte bereits einen Entschluss gefasst.
»Ich denke, ich wohne lieber bei Ihnen – wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
»Und warum, wenn ich fragen darf?«
»Sie sind sicher eine bessere Köchin.«
»O nein, ich habe nicht viel Zeit zum Kochen.«
»Nein? Das macht nichts. Ich lade jetzt die Kiste aus, und dann fahren wir zu Ihnen. Ich möchte gern Ihr Haus sehen, meine Sachen auspacken und aus diesem Anzug rauskommen.«
Er machte sich auf den Weg nach draußen, aber sie verstellte ihm den Weg. »Warum?«
»Warum was?«
Sie standen sich dicht gegenüber. Theo überragte Michelle um einiges, aber das schien sie nicht im Mindesten einzuschüchtern. »Warum möchten Sie unbedingt bei mir bleiben? Dad hat viel mehr Platz.«
»Mag sein, aber Sie sind hübscher, und ihr Vater hat mir die Wahl gelassen. Sein Haus oder Ihres. Ich habe mich für Ihres entschieden. Wie war das mit der Gastfreundschaft in der Kleinstadt? Es wäre wirklich unhöflich, mich abzuweisen.«
»Sie sprechen wohl von der Gastfreundschaft der Südstaatler. Aber Sie haben mir immer noch nicht ehrlich gesagt …«
»Hören Sie«, fiel er ihr ins Wort, »fahren wir doch erst mal zu Ihnen, damit ich mich einrichten kann, und wenn ich dann etwas Kaltes zu trinken bekomme, erzähle ich Ihnen, was ich von der Verwüstung hier halte.«
Theo machte auf dem Absatz kehrt und ging zu seinem Wagen. Er holte die Kiste aus dem Kofferraum und stellte sie auf den Boden im hinteren Flur, dann wartete er, bis Michelle die Lichter gelöscht hatte.
»Ich sollte eigentlich hier bleiben und mit dem Aufräumen anfangen«, sagte sie halbherzig.
»Wann wollen Ihre Freundinnen kommen?«
»Übermorgen.«
Er nickte. »Wie wär’s, wenn ich einen meiner Freunde bitte, sich in der Zwischenzeit in Ihrer Praxis gründlich umzusehen?«
»Weshalb?«
»Damit er mir sagt, ob ich mich bei meinem Verdacht irre oder ob ich Recht habe. Gönnen Sie sich heute einen freien Abend, Michelle! Wenn wir Ihren Bruder und Ihren Dad als Helfer haben, werden wir spielend mit allem fertig.«
»Aber Sie sind doch hergekommen, um zu angeln.«
»Ja, und ich werde auch angeln. Wollen wir jetzt nicht erst mal eine Erfrischung zu uns nehmen?«
Sie nickte, schloss die Tür hinter sich und ging zu Theos Auto.
»Cooper sagte, Sie hätten am Telefon verängstigt geklungen.«
»Ich hatte auch Angst, so viel Angst, dass ich vor meinem eigenen Schatten zurückgewichen bin.« Sie lächelte. »Meine Fantasie spielt mir manchmal
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