Gnade
Ohren, ihre Knochen fühlten sich an wie aus Gummi, und sie hatte das Gefühl, als sei sie mit ihm verschmolzen.
Der Song endete. Theo küsste sie auf die Wange, richtete sich auf und ließ sie los. »Danke für den Tanz! Möchtest du ein Bier oder etwas anderes? Du siehst ein wenig erhitzt aus.«
Ein wenig erhitzt? Ihr kam es vor, als wäre es in der Bar so heiß wie in einer Sauna. Als sie ihm in die Augen blickte, erkannte sie, dass er sehr wohl wusste, was er mit ihr angestellt hatte.
»Nein, danke!«
»Es ist ziemlich stickig hier drin. Ich denke, ich gehe hinaus und schnappe ein bisschen frische Luft«, verkündete er beiläufig.
Michelle schaute ihm nach. Er hatte gerade erst die Tür aufgestoßen und einen Schritt ins Freie getan, da setzte sie sich ebenfalls in Bewegung.
»Okay!«
Sie holte ihn ein. Er stand im Mondlicht, und sie stieß ihm mit der geschlossenen Hand zwischen die Schulterblätter. Sie wiederholte, diesmal lauter: »Okay. Du hast gewonnen.«
Er drehte sich um. »Wie bitte?«
Sie war so wütend, dass sie ihm auf die Brust schlug. »Ich sagte, du hast gewonnen.«
»Gut«, erwiderte er ruhig. »Aber was habe ich gewonnen?«
»Du weißt genau, wovon ich spreche, aber da wir allein sind, kann ich es genauso gut aussprechen. Ich rede von dem Spiel, das wir gespielt haben. Ich dachte wirklich, ich könnte standhaft sein, aber offensichtlich habe ich mich geirrt. Ich bin einfach nicht stark genug.«
»Und was genau ist mein Preis?«
»Sex.«
Er zog eine Augenbraue hoch. »Was?«
»Du hast mich schon verstanden. Wir werden Sex haben, Theo Buchanan. Oh, Verzeihung – ich meine natürlich großartigen Sex. Kapiert?«
Ein vergnügtes Lächeln breitete sich auf Theos Gesicht aus, und sein Blick schweifte einen Moment lang in die Ferne. Malte er sich bereits aus, wie sie sich lieben würden, oder langweilte ihn ihr Geständnis?
»Michelle, Liebes …«
»Du hörst mir gar nicht zu, oder? Ich will Sex mit dir haben. Wild und leidenschaftlich«, fuhr sie fort. »Du weißt ja sicher, was ich meine. Heißen, erotischen, umwerfenden Sex, bei dem wir uns die Kleider vom Leib reißen und laut schreien. Die ganze Nacht über. Du bestimmst die Zeit und den Ort, und ich werde da sein.«
Offenbar war er sprachlos. Das war schon mal ein Punkt für sie. Vielleicht beherrschte sie dieses Spiel doch nicht so schlecht. Theo sah sie mit einem schiefen Grinsen an. Plötzlich kam sie sich überlegen vor. Sie verschränkte die Arme und fragte: »Und? Was hast du dazu zu sagen?«
Er trat einen Schritt auf sie zu. »Michelle, ich würde dir gern einen alten Freund von mir vorstellen. Noah Clayborne. Noah, das ist Michelle Renard.«
Er bluffte. Es musste ein Bluff sein. Sie schüttelte kaum merklich den Kopf. Doch er nickte. Sie schüttelte noch einmal den Kopf, hauchte: »O Gott!«, und schloss die Augen. Das konnte alles nicht wahr sein. Am liebsten hätte sich Michelle in Luft aufgelöst. Wie lange stand der Mann schon da? Ihr Gesicht brannte. Sie schluckte schwer und zwang sich dann, sich umzudrehen.
Und er stand tatsächlich da. Groß, blond, mit erstaunlich blauen Augen und einem umwerfenden Lächeln.
»Schön, Sie kennen zu lernen«, stammelte sie. Ihre Stimme klang, als hätte sie eine Kehlkopfentzündung.
In dem Augenblick war sie der Meinung gewesen, dass es nicht schlimmer kommen könnte, doch in diesem Punkt hatte sie sich getäuscht. Ihr Vater lehnte in der offenen Tür, nur wenige Meter von Noah entfernt – eindeutig nah genug, um alles verstanden zu haben, was sie zu Theo gesagt hatte. Oder war er vielleicht doch gerade erst herausgekommen? Sie nahm all ihren Mut zusammen und schaute ihm ins Gesicht. Jake sah aus wie vom Donner gerührt.
Michelle schmiedete hastig einen Plan. Sie würde einfach so tun, als hätte sie die anzüglichen Dinge gar nicht gesagt.
»Sind Sie gerade angekommen?«, erkundigte sie sich höflich bei Noah.
»Hmm«, machte Noah. »Theo, sind alle hübschen Ladys in Bowen so freundlich?«
Jake schlug die Eingangstür der Bar zu und stürmte wie ein aufgescheuchtes Huhn auf Michelle zu. »Als ich sagte, du sollst für ihn den roten Teppich ausrollen, dachte ich, du weißt, was ich meine. Es gibt Freundlichkeit und wirkliche Freundlichkeit, und ich habe dich dazu erzogen, den Unterschied zu erkennen.«
»Dad, Theo hat so getan, als würde er mit mir flirten, und ich bin darauf eingegangen.«
»Ich habe nicht nur so getan.« Theo zuckte mit den Schultern.
Sie
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