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Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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saßen am Eßzimmertisch. Dora Luft hatte eben eine große Kanne Kaffee und frischgebackene Teebrötchen hereingebracht.
    Teilnahmslos, das Kinn aufgestützt, starrte Steve vor sich hin. Erst neulich hatte Neil zu ihm gesagt: »Immer predigst du mir, ich soll den Ellbogen nicht auf den Tisch legen, und dabei sitzt du selber immer so da, Dad.«
    Er wischte den Gedanken beiseite. Es hatte keinen Zweck. Er durfte sich jetzt nur auf das Nächstliegende konzentrieren. Er betrachtete Bill Luft. Zweifellos hatte sich Bill in der vergangenen Nacht mit Alkohol getröstet. Seine Augen waren blutunterlaufen, und seine Hände zitterten.
    Sie hatten sich eben die erste Bandaufnahme mit dem neunzehn Worte enthaltenden Anruf des Entführers angehört. Die leise undeutliche Stimme war unmöglich wiederzuerkennen, selbst wenn sie jemand gekannt hätte. Hugh ließ das Band dreimal ablaufen, dann schaltete er das Gerät aus. »Nun gut. Wir werden es zu Mrs. Perry bringen, sobald uns Mr. Perry anruft, und sehen, was sie dazu sagt. Jetzt haben wir vor allem einige sehr wichtige Dinge zu klären.«
    Er warf einen Blick auf die vor ihm liegende Liste. »Erstens werden wir, bis die Angelegenheit erledigt ist, rund um die Uhr einen Beamten hier im Haus stationieren. Ich nehme zwar an, daß der Mann, der sich Foxy nennt, zu schlau ist, hier oder bei den Perrys anzurufen. Er wird vermuten, daß wir die Leitungen angezapft haben. Aber eine Möglichkeit besteht immer… Mr. Peterson wird nach New York fahren. Wenn das Telefon klingelt, müssen Sie, Mrs. Luft, sofort rangehen. Lamont wird am Nebenanschluß mithören, und wir werden das Gespräch aufzeichnen. Sollte der Entführer tatsächlich anrufen, dürfen Sie nicht nervös werden. Sie müssen versuchen, ihn möglichst lange am Telefon festzuhalten. Werden Sie das schaffen?«
    »Ich will’s versuchen«, antwortete Dora mit zitternder Stimme. »Was ist mit Neils Schule?
    Haben Sie dort angerufen und ihn krank gemeldet?«
    »Ja. Pünktlich um acht Uhr, wie Sie gesagt haben.« »Gut.« Hugh wandte sich an Steve.
    »Haben Sie Ihr Büro erreicht, Mr. Peterson?«
    »Ja. Der Verleger hatte mir vorgeschlagen, mit Neil einige Tage wegzufahren, bis - die Hinrichtung von Thompson vorbei ist. Ich habe hinterlassen, daß ich mich dazu entschlossen hätte.«
    Dann kam Bill Luft an die Reihe. »Mr. Luft«, sagte Hugh, »ich möchte, daß Sie zumindest heute im Haus bleiben. Würde das jemand ungewöhnlich finden?«
    Seine Frau lachte bitter. »Nur die Stammgäste in der Alten Mühle.«

    »Gut. Ich danke Ihnen beiden.« Damit waren die Lufts entlassen. Sie erhoben sich und gingen in die Küche, ließen die Tür jedoch einen Spalt breit offen.
    Hugh beugte sich vor und schloß sie mit Nachdruck. Mit hochgezogener Augenbraue meinte er zu Steve: »Den Lufts scheint nicht viel in diesem Haus zu entgehen, Mr. Peterson.«
    Steve hob die Schultern. »Ich weiß. Aber Bill ist seit Anfang des Jahres im Ruhestand, und daß sie hiergeblieben sind, war wirklich reine Gefälligkeit. Sie möchten sehr gern nach Florida ziehen.«
    »Sie sagten, sie sind seit zwei Jahren bei Ihnen?« »Etwas länger. Dora war unsere Putzfrau.
    Schon vor Neils Geburt kam sie einmal die Woche zu uns. Unser altes Haus lag nur sechs Querstraßen von hier entfernt. Die Lufts sparten auf ihr Alter. Als Nina getötet wurde, waren wir gerade hier eingezogen, und ich brauchte jemand, der für Neil sorgte. Ich schlug ihnen vor, in das große Zimmer im zweiten Stock zu ziehen. Auf diese Weise sparten sie die Kosten für Unterkunft und Verpflegung, und ich zahlte Dora das, was sie sich sonst durch Saubermachen bei uns und anderen verdiente.«
    »Wie sind Sie miteinander ausgekommen?«
    »Ziemlich gut. Sie hängen beide an Neil, und Dora kümmerte sich sehr um ihn - vielleicht zu sehr. Sie ist ständig in Sorge um ihn. Seit Bill keine richtige Beschäftigung mehr hat, trinkt er ziemlich viel. Offen gesagt, werde ich froh sein, wenn sie ausziehen.«
    »Was hielt sie denn bislang zurück?« fragte Hugh scharf. »Geld?«
    »Nein, das glaube ich nicht. Dora sähe nichts lieber, als daß ich wieder heiraten würde und Neil eine Mutter bekäme. Sie ist wirklich eine gute Seele.«
    »Und Sie stehen dicht vor einer Heirat mit Sharon Martin?«
    Steve lächelte düster. »Ich hoffe es.« Rastlos erhob er sich und trat ans Fenster. Es schneite wieder. Leicht und geräuschlos schwebten die Flocken zur Erde, und es schien ihm, als hätte er über sein Leben

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