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Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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Legen Sie Ihre Autoschlüssel unter den Fahrersitz. Wir werden den Wagen abholen, um die Einbauten vorzunehmen, und stellen ihn wieder am Bahnhof ab, bis Sie zurückkommen. Und dies hier ist die Adresse, wohin Sie dann mit dem Geld gehen müssen…«
    Steve nahm den Zehnuhrvierzig-Zug zur Grand Central Station. Mit zehn Minuten Verspätung traf er um 11.15 Uhr in New York ein. Er beschloß, mit seinem großen leeren Koffer zu Fuß über die Park Avenue zur Bank zu gehen.
    Während er an den Häuserreihen zwischen dem Bahnhof und der 51. Straße entlangwanderte, wurde ihm immer elender zumute, und das Gefühl, alles könnte vergeblich sein, drückte ihn fast zu Boden. Heute, am zweiten Tag des spätwinterlichen Wetters, bekundeten die New Yorker schon wieder ihre herkömmliche Unverwüstlichkeit. Die Straßen waren belegt wie sonst auch. Es lag sogar eine gewisse Heiterkeit in der Art, wie die Menschen über die vereisten Bordsteine schritten oder den Schneehaufen auswichen. Gestern früh hatte er nur wenige Straßenzüge von hier entfernt mit Sharon im fallenden Schnee gestanden, ihr Gesicht in den Händen gehalten und sie zum Abschied geküßt. Ihre Lippen hatten ihm nicht geantwortet, genau so wenig, wie er auf Ninas Abschiedskuß reagiert hatte.

    In der Bank quitterte man seinen Wunsch, alles bis auf zweihundert Dollar von Neils Konto abzuheben, mit einer hochgezogenen Braue. Die Schalterangestellte verließ ihren Käfig und zog einen älteren stellvertretenden Geschäftsführer zu Rate, der sofort auf Steve zueilte.
    »Mr. Peterson«, erkundigte er sich, »liegt etwas vor?« »Nein, Mr. Strauss. Ich möchte nur eine Abhebung machen.«
    »Dann muß ich Sie bitten, einige Formulare für die Staats- und Bundesregierung auszufüllen. Das ist bei Entnahmen in dieser Höhe Vorschrift. Ich hoffe, es liegt kein Grund zur Unzufriedenheit vor, was unsere Betreuung dieses Kontos betrifft.«
    Steve bemühte sich, in Ton und Ausdruck gelassen zu bleiben. »Nein, durchaus nicht.«
    »Sehr wohl«, entgegnete der Geschäftsführer frostig. »Sie können die notwendigen Formulare an meinem Schreibtisch ausfüllen. Kommen Sie bitte mit.«
    Mechanisch trug Steve die gewünschten Informationen ein. Als er fertig war, brachte die Schalterdame den Kassenscheck. Mr. Strauss unterzeichnete ihn, reichte ihn Steve und erhob sich. Das Gesicht des Mannes war nachdenklich geworden. »Ich möchte gewiß nicht aufdringlich sein, Mr. Peterson, aber Sie haben wirklich keine Schwierigkeiten? Vielleicht könnten wir behilflich sein?«
    Steve stand auf. »Nein, nein, vielen Dank, Mr. Strauss.« Er merkte selbst, wie unnatürlich und wenig überzeugend das klang.
    »Wir schätzen Sie sehr als Kunde dieser Bank und, wenn ich das sagen darf, als Freund.
    Sollte es ein Problem geben und sollten wir helfen können, bitte, geben Sie uns die Möglichkeit.« Er reichte Steve die Hand.
    »Sie sind sehr liebenswürdig, aber ich versichere Ihnen, es ist alles in Ordnung.«
    Mit dem Koffer in der Hand betrat er wieder die Straße, winkte ein Taxi heran und ließ sich zur Federal Reserve Bank fahren. Dort führte man ihn in einen Raum, wo Kriminalbeamte mit verbissenen Gesichtern emsig das Geld zählten und fotografierten, das er gegen den Scheck, den er bei sich trug, einlösen würde. Düster schaute er ihnen zu. Ein Kinderreim fiel ihm ein.
    »Der König saß in der Schatzkammer, zählte seine Taler…« Nina hatte ihn immer gesungen, wenn sie Neil zu Bett brachte.
    Zurück im Grand Central, fuhr ihm der DreiuhrfünfzigZug gerade vor der Nase weg. Der nächste Zug ging erst in einer Stunde. Er rief zu Hause an. Dora kam ans Telefon, und Lamont meldete sich vom Nebenanschluß. Keine Neuigkeiten, kein Hinweis auf eine Kassette. Hugh Taylor wollte zurück sein, bis Steve nach Hause kam.
    Die Aussicht, eine volle Stunde totschlagen zu müssen, war gräßlich. Sein Kopf fühlte sich an, als steckte er in einem Schraubstock. Von der Stirn aus zog sich ein brennender Schmerz über die Schläfen zum Hinterkopf. Ihm fiel ein, daß er seit gestern mittag nichts mehr gegessen hatte.
    Er beschloß, in die Oyster Bar zu gehen und sich einen Drink und einen Teller Muschelragout zu bestellen. Er kam an dem Telefon vorüber, von dem aus er am Abend zuvor versucht hatte, Sharon anzurufen. Hier hatte sein Alptraum begonnen. Als niemand ans Telefon gegangen war, wußte er, daß etwas nicht stimmte. Nur zwanzig Stunden waren seither vergangen. Ihm schienen sie eine

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