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Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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zwei stieg er aus und stellte sich, ohne des feuchten kalten Windes gewahr zu werden, neben die Telefonzelle.
    Um Punkt zwei Uhr klingelte das Telefon. Dieselbe gedämpfte Flüsterstimme befahl ihm, sofort zu einem öffentlichen Fernsprecher Ecke 96. Straße und Lexington Avenue zu fahren.
    Um zwei Uhr fünfzehn läutete das Telefon. Steve erhielt Anweisung, über die Triborough Bridge auf den Grand Central Parkway zu fahren bis zur Ausfahrt Brooklyn’ Queens Expressway, dann weiter über den BQE zur Roosevelt Avenue. Dort sollte er am Ende des ersten Blocks links abbiegen und sofort halten, die Scheinwerfer abschalten und warten. »Ich hoffe, Sie haben das Geld dabei und kommen allein.«
    In wahnsinniger Hast machte sich Steve Notizen und wiederholte die Anweisungen. Der Entführer hängte ein. Um zwei Uhr fünfunddreißig bog er vom BQE in die Roosevelt Avenue ein. Auf der anderen Straßenseite parkte in halber Höhe des Blocks eine große Limousine. Als er vorbeifuhr, riß er das Steuer kurz herum in der Hoffnung, die versteckten Kameras würden Marke und Zulassungsnummer aufnehmen. Dann lenkte er an den Straßenrand und wartete.
    Es war eine dunkle Straße. Türen und Fenster der schäbigen Läden waren mit Ketten und Gittern versperrt. Was an Beleuchtung vorhanden war, wurde durch die Gleise der Hochbahn und den Schnee auf den Straßenlaternen beeinträchtigt.
    Ob ihm die FBI-Beamten mit Hilfe des Signalgebers folgen konnten? Angenommen, er funktionierte plötzlich nicht mehr? Er hatte nicht bemerkt, daß ihm ein Wagen gefolgt war.
    Aber sie sagten ja, sie würden sich in einiger Entfernung halten.
    Plötzlich klopfte jemand gegen die Scheibe auf der Fahrerseite. Steve wandte ruckartig den Kopf. Sein Mund wurde trocken. Eine behandschuhte Hand machte ihm Zeichen, das Fenster herabzulassen. Er schaltete die Zündung ein und drückte auf den Fensterknopf. »Sehen Sie mich nicht an, Peterson.«
    Aber er hatte bereits einen braunen Mantel und eine Strumpfmaske erkannt. Ein großer Segeltuchsack fiel auf seinen Schoß. Sein Magen verkrampfte sich, als ihm klar wurde, daß der Mann den Koffer mit dem Aufspürgerät nicht mitnehmen würde.
    »Öffnen Sie den Koffer und packen Sie das Geld in den Sack. Schnell!«
    Steve versuchte, Zeit zu schinden. »Wie soll ich wissen, daß Sie meinen Sohn und Sharon unversehrt freilassen werden?«

    »Tun Sie das Geld in den Sack.« Steve hörte den erregten Unterton in der Stimme des Mannes. Er war im höchsten Maße nervös. Wenn er jetzt womöglich durchdrehte und ohne das Geld wegrannte, brachte er Sharon und Neil vielleicht um. Mit zitternden Händen nahm Steve die ordentlich verpackten Geldbündel aus dem Koffer und warf sie in den Sack.
    »Schließen Sie den Sack!«
    Er zog die Schnüre fest und verknotete sie. »Geben Sie her, und sehen Sie mich nicht an!«
    Er starrte geradeaus. »Was ist mit meinem Sohn und Sharon?«
    Die behandschuhten Hände griffen durch die Fensteröffnung und entrissen ihm den Sack. Er versuchte, sich die Art der Handschuhe einzuprägen - steifes billiges Kunstleder, dunkelgrau oder braun und groß. Der Mantelärmel war ausgefranst; wie Spinnenbeine standen die einzelnen Fäden ab.
    »Sie werden beobachtet, Peterson«, sagte der Entführer mit gehetzter, fast bebender Stimme. »Fahren Sie erst in fünfzehn Minuten ab. Haben Sie verstanden? In fünfzehn Minuten. Wenn ich nicht verfolgt werde und das Geld vollzählig ist, werden Sie erfahren, wo Sie Ihren Sohn und Sharon morgen um elf Uhr dreißig abholen können.«
    Elf Uhr dreißig. Das war auf die Minute genau die Zeit von Ronald Thompsons Hinrichtung. »Hatten Sie irgend etwas mit dem Tod meiner Frau zu tun?« brach es aus Steve hervor.
    Aber er erhielt keine Antwort. Er wartete. Dann wandte er vorsichtig den Kopf. Der Entführer war verschwunden. Auf der anderen Straßenseite startete ein Wagen.
    Auf seiner Uhr war es zwei Uhr achtunddreißig. Das Treffen hatte kaum drei Minuten gedauert. Wurde er beobachtet? Lag auf einem dieser Dächer ein Beobachter auf der Lauer, der dem Entführer mitteilen könnte, wenn er jetzt schon losfuhr? Das FBI bekam keine Signale aus dem Koffer. Sie konnten nicht einmal wissen, daß er bereits Kontakt hatte. Sollte er eher aufbrechen?
    Nein.
    Um zwei Uhr dreiundfünfzig wendete Steve und fuhr zurück nach Manhattan. Um drei Uhr zehn war er im FBI-Hauptquartier an der 69. Straße, Ecke Third Avenue. Mit verbissenen Gesichtern stürzten sich Beamte auf seinen Wagen und

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