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Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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schraubten die Scheinwerfer ab. Hugh hörte sich finster Steves Schilderung an, während sie mit dem Lift in den 12. Stock fuhren.
    Hier wurde er einem Mann mit schlohweißem Haar und einem stillen intelligenten Gesicht vorgestellt. Obwohl der Mann blind war, verbarg er sich nicht hinter einer dunklen Brille.
    »John hat sich die Kassette angehört«, erklärte Hugh. »Aufgrund der Art der Stimmen und eines gewissen Echos schließt er, daß Sharon und Neil in einem nahezu kahlen Raum von ungefähr vier mal sechs Metern festgehalten werden; vielleicht im Keller einer Lagerhalle.
    Man hört ständig ein schwaches, nicht allzu fernes Geräusch von ein- und ausfahrenden Zügen.«
    Steve sah ihn erstaunt an.
    »Ich werde später Genaueres sagen können«, meinte der blinde Beamte. »Es ist keine Hexerei. Man muß einfach mit der gleichen Intensität hinhören, mit der Sie vielleicht eine Probe unter dem Mikroskop betrachten würden.«
    Ein kalter leerer Raum. Eine Lagerhalle. Steve sah Hugh vorwurfsvoll an. »Stützt das Ihre Theorie, daß Sharon die Entführung geplant hat?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Hugh schlicht.
    »Mr. Peterson, ich hätte noch eine Frage zu der dritten Stimme auf der Kassette«, sagte John Owens zögernd. »Hat Ihre Frau zufällig als erste Sprache Französisch gelernt und dann erst Englisch?«
    »Nein, durchaus nicht. Sie wuchs in Philadelphia auf, bis sie mit zehn Jahren ins Internat kam. Warum?«
    »In dieser Stimme schwingt ein Tonfall mit, der einen Sachverständigen bestimmt zu der Annahme führen wird, daß Englisch nicht ihre erste Sprache gewesen ist…«

    »Warten Sie mal! Nina erzählte mir, daß sie eine französische Kinderschwester hatte, daß sie als Kleinkind tatsächlich mehr in französischer als in englischer Sprache gedacht hat.«
    »Genau das meine ich. Dann handelt es sich hier nicht um einen Schwindel oder eine Nachahmung. Sie hatten recht, als Sie diese Stimme als die Ihrer Frau identifizierten.«
    »Also gut. Hier habe ich mich geirrt«, sagte Hugh. »Aber Jim meint auch, daß diese letzte Stimme erst nach der Aufnahme von Neil und Sharon auf die Kassette gespielt wurde.
    Denken Sie nach, Mr. Peterson. Dies hat jemand geplant, der eine ganze Menge aus Ihrem Privatleben weiß. Waren Sie jemals auf einer Party, wo man gefilmt hat oder wo jemand vielleicht eine Tonbandaufnahme von Ihrer Frau machte, der er dann später diese paar Worte entnehmen konnte?«
    Steve runzelte die Stirn. Wenn er nur besser nachdenken könnte. »Der County-Club. Als er vor vier Jahren renoviert wurde, drehten sie einen Film zu Wohltätigkeitszwecken. Nina war die Sprecherin; sie ging von Raum zu Raum und erklärte, was alles gemacht worden war.«
    »Nun kommen wir der Sache schon näher«, sagte Hugh. »Könnte sie diese Worte im Rahmen des Films gesagt haben?«
    »Schon möglich.« Das Telefon läutete.
    Hugh griff nach dem Hörer, meldete sich und lauschte gespannt. »Gut. Macht euch sofort an die Arbeit!« Er warf den Hörer auf die Gabel. Jetzt erinnerte er an einen Jagdhund, der eine frische Fährte aufgenommen hat. »Die Sache kommt ins Rollen, Mr. Peterson«, sagte er. »Sie haben ein scharfes Foto von dem Wagen und der Zulassungsnummer geschossen. Der Computer arbeitet bereits.«
    Das war der erste schwache Hoffnungsschimmer. Warum saß ihm dann noch immer ein würgender Kloß im Hals? Es ist zu einfach, sagte er sich. Es kann nicht klappen.
    John Owens hob die Hand in Steves Richtung. »Mr. Peterson, noch eine Frage. Ich habe den Eindruck - wenn das tatsächlich Ihre Frau ist auf der Kassette - daß sie, während sie spricht, eine Tür öffnet. Kennen Sie zufällig eine bestimmte Tür, die leicht quietscht, wenn man sie öffnet, ungefähr so…« Er imitierte verblüffend genau das Quietschen einer rostigen Türangel.
    Hugh und Steve sahen sich überrascht an. Es ist ein Possenspiel, dachte Steve benommen, eine Farce. Es ist bereits zu spät für uns alle.
    Hugh antwortete an seiner Stelle. »Ja, John«, sagte er. »Genauso hört sich Mr. Petersons Küchentür an, wenn sie geöffnet wird.«
35
    Als Arty die Alte Mühle verließ, sandte eine nagende Sorge Warnsignale durch seinen Körper und löschte das Hochgefühl seiner Unfehlbarkeit, in dem er eben noch geschwelgt hatte.
    Er hatte fest damit gerechnet, Bill Luft in der Bar anzutreffen. Er hätte ihn gerne ausgehorcht. Was, der Junge ist fort? Wo ist er denn? Wie geht’s Mr. Peterson? Hat er Besuch gehabt?
    Er hatte angenommen,

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