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Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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die üblichen schwachen Lämpchen wie völlig übermüdete Glühwürmchen. Nur das Beerdigungsunternehmen war hell erleuchtet; offenbar meinte der Besitzer, den Trauernden durch volle Festbeleuchtung Trost zu bieten. In einem dunklen Eingang standen zwei sich fest umklammernde Gestalten; schwer zu sagen, ob es ein Liebespaar in voller Aktion war oder ein Straßenräuber, der sein Opfer strangulierte. Der Tradition dieser Gegend entsprechend, forschte ich nicht weiter nach. Ich hatte einmal einem Jungen geholfen, der von einem Fuhrmann vergewaltigt wurde; dafür klaute mir der Junge die Geldbörse, während sein Angreifer mir ein blaues Auge verpaßte. Keine abgekartete Sache; nur der typisch aventinische Dank für übermäßige Freundlichkeit.
    Ich ging auf der Straßenseite, auf der die Wäscherei lag und es normalerweise ruhiger war. So kam ich an dem Laden neben dem Friseur vorbei, der vor kurzem noch leergestanden hatte. Die neuen Mieter hatten sich mit dem Einzug beeilt. Eine schwach flackernde Laterne, geschützt von einer dreckigen Hornscheibe, hing an einer Markisenstütze. In ihrem Lichtschein erkannte ich Mengen faszinierender Gegenstände, die zum Verkauf angeboten wurden. In dünner Kreideschrift stand über dem Eingang: »Der Trödelladen – Schnäppchen zuhauf und Geschenke für jeden Anlaß.«
    Das war meine letzte Chance, ein Geburtstagsgeschenk für das Mädchen zu erstehen, das ich anbetete. Besser noch, ich konnte es wahrscheinlich sogar günstig bekommen. Ich hatte nichts zu verlieren, also rappelte ich an dem Kessel am Eingang und trat ein.

XLI
    Wer Trödel mochte, war hier absolut richtig. Sobald ich mich durch die halbgeschlossene Falttür gezwängt hatte, begriff ich, daß dies eine Schatzhöhle war, in der man ganze Tage verbringen konnte. Alles wirkte wie zufällig zusammengetragen. Die vielen Stapel von Bildern und Tellern erweckten den Eindruck, der Besitzer hätte längst den Überblick verloren – was natürlich die quälende Hoffnung entstehen ließ, unter all dem Plunder auf irgendwelche Schätze zu stoßen, die sich für eine Kupfermünze erstehen und zum zwanzigfachen Preis an einen kundigen Händler weiterverkaufen ließen. Mein Vater nannte solche Läden immer Müllkippen; seine Verachtung machte sie mir um so sympathischer.
    Beim Licht einiger winziger Öllämpchen versuchte ich, einen Überblick zu bekommen. Staub erfüllte die Luft. Da war ein Geruch, den ich von den Hausratsverkäufen kannte, die mein Vater organisierte, wenn jemand gestorben war; dieses etwas Muffige alter Sachen, die lange nicht gelüftet worden sind. Der Raum war sehr eng und warm. Von hinten kamen gedämpfte, nicht unbedingt häuslich klingende Geräusche.
    Ich schob ein Bündel aufgehängter Ledergürtel beiseite, manche mit außerordentlichen Schließen. Dann trat ich fast auf ein einzelnes Wagenrad. Sandalen und Stiefel hingen wie Zwiebeln an Schnüren aufgereiht. Sie wölbten sich an den Wänden wie Muschelkolonien zwischen Kolonnen von Töpfen und Sieben. Zu meinen Füßen standen schwankende Stapel von Schüsseln und Schalen. Um an den dämmrig erleuchteten Tresen zu kommen, der sich unter Bergen alter Kleider, Vorhänge und Bettüberwürfe bog, mußte man sich einen Pfad durch das Geschirr bahnen; am Ladentisch lehnten riesige Körbe mit Eisen- und Haushaltswaren und ließen einen kaum herankommen. Kleine Ständer quollen über von Glasperlenketten. In offenen Schatullen häuften sich glitzernde Ringe. Es gab Bronzeflakons, geschwärzte Metallbecher, die sich beim Säubern durchaus als Silber herausstellen konnten, und einen erstaunlichen Kandelaber, der fast bis an die Decke reichte.
    Ich fragte mich, wo der Besitzer die Sachen wohl herbekam. Für den Fall der Fälle hielt ich Ausschau nach syrischem Glas.
    Plötzlich erschien hinten im Laden eine Gestalt und ließ mich zusammenzucken. Der Mann sah nervös und mißtrauisch aus, als sei ich in einen Laden eingedrungen, der bereits für die Nacht geschlossen war. Um weniger bedrohlich zu wirken, schob ich mit einer nonchalanten Geste den Daumen unter den Gürtel …
    »Guten Abend. Das ist ja eine tolle Sammlung! Ich wette, Sie wissen gar nicht, was Sie hier alles haben.« Das war als Kompliment gemeint; er faßte es offenbar als Beleidigung auf.
    Der Mann war dürr und wirkte schäbig. Leute wie ihn hatte ich schon in vielen Buden mit Trödelkram gesehen. Wovon die lebten, war mir ein Rätsel. Sie schienen sich nie von irgendwas aus ihrem

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