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Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Durcheinander trennen zu wollen, und wenn man etwas zum Kauf anbot, war ihnen das auch nicht recht.
    Dieser Mann hier hatte strähniges Haar, das ihm über die Ohren hing, die Schädeldecke darüber war dafür kahl. Seine Haut wirkte wie alte Käserinde von der Art, über die selbst Spatzen den Schnabel rümpfen, wenn man sie irgendwann hinter dem Schrank findet und ihnen hinwirft. Er sah unbedeutend aus. Ich versuchte mir einzureden, daß sich hinter dem schäbigen Äußeren Energie und Intelligenz ballten. Es gelang mir nicht.
    »Was dagegen, wenn ich mich mal umschaue?«
    Er gestattete es gnädig, wirkte aber dabei so glücklich, als hätte ich mich gerade als Vertreter des Ädilen zu erkennen gegeben, der seine Lizenz überprüfen will. »Suchen Sie etwas Bestimmtes?« zwang er sich zu fragen. Er hatte eindeutig die Trübseligkeit eines Mannes, dessen Papiere überprüft werden – und der wußte, daß er nicht die richtigen Schmiergelder bezahlt hatte.
    »Das weiß ich erst, wenn ich es sehe.«
    Ich wollte ein wenig herumstöbern; er wollte nur, daß ich ging. Unter seinem mißtrauischen Blick wurden die Dinge, die zunächst anziehend gewirkt hatten, rasch uninteressant. Kaum nahm ich etwas in die Hand, fielen mir sofort angestoßene Stellen und Beulen auf, und es war mir peinlich, den Gegenstand gleich wieder hinzustellen. Der Mann verstand nichts vom Verkauf. Selbst wenn er meinte, ich sei nur vorbeigekommen, um was zu klauen, hätte er mich unauffälliger beobachten können. Man hätte glauben können, ich wäre mit einer Hakenstange oder einem großen Beutel gekommen.
    Eine Zeitlang wühlte ich in einem Korb mit Griffen, Haken und Scharnieren herum. Schließlich richtete ich mich auf. »Verkaufen Sie auch echten Schmuck?«
    »Momentan habe ich nicht sehr viel auf Lager.« Soll heißen, wenn er solcher Stücke habhaft wurde, verhökerte er sie sofort an einen Juwelier, der sie besser präsentieren und mehr dafür verlangen konnte. »Mein Partner sammelt Edelmetalle, und wir haben einen guten Handwerker, der Ihnen daraus macht, was immer Sie wollen. Sie können uns etwas in Auftrag geben.«
    »Aus Gold?«
    »Ja, selbstverständlich.«
    »Mit Reinheitsgarantie?«
    »All unsere Arbeiten bekommen ein Zertifikat.«
    Jeder, der Metall »sammelt«, kann vermutlich auch Papiere fälschen, aber es klang wie ein vernünftiges Angebot. Das machte mich um so mißtrauischer. Es war eine hervorragende Gelegenheit für sie, sich das Material, das ich lieferte, unter den Nagel zu reißen, oder mir für eine völlig kunstlose Arbeit viel Geld abzuknöpfen.
    »Wie heißen Sie?«
    »Castus.«
    »Vielleicht kommen wir ja ins Geschäft, Castus.« Die üblichen Juweliere konnte ich nicht ausstehen. Mir mißfielen die Preise und die hochnäsige Art, mit der sie mich behandelten. Ich hätte wirklich gern einer kleineren Firma eine Chance gegeben. Aber Helena war etwas Besonderes. Ich fühlte mich wie eine Laus, als ich versprach, mir die Sache zu überlegen und später wiederzukommen. Dann verließ ich den Laden. Der arme Castus ahnte offenbar, daß er mit mir nur seine Zeit verschwendet hatte.
    Bei meiner Heimkehr lag Helena im Bett. Ich wußte, daß schwangere Frauen eine Menge Ruhe brauchen. Als ich das erwähnte, schnaubte Helena nur, ich sei ein unzuverlässiger Herumtreiber, für den es sich nicht aufzubleiben lohne.
    Das Müllbaby, das bei meinem Hereinkommen aufgewacht war, auf dem Arm, setzte ich mich auf den Bettrand. Der Kleine sah mich mit seinem ruhigen, vertrauensvollen Blick an. Ich hatte seinetwegen ein schlechtes Gewissen. Dauernd vergaß ich ihn. Auch meine Nichte Tertulla vergaß ich ständig. Es war schon verrückt; auf dem Aventin schien ein regelrechter Kindertausch stattzufinden. Manche Kinder wurden ausgesetzt, andere geklaut. Ich versuchte, einen Zusammenhang herzustellen, aber mir wollte nichts dazu einfallen.
    Ich schubste Nux vom Bett runter; eng an den Boden gedrückt kroch sie näher, und da sie sich nicht an mich rantraute, solange ich den strengen Herrn rauskehrte, leckte sie statt dessen den Fuß des Babys.
    »Ein gutes Zeichen«, meinte Helena lächelnd.
    »Sie mag Kinder!« Wir kicherten beide, als uns einfiel, daß Gaius Baebius genau das gleiche von seinem unmöglichen Hund Ajax behauptet hatte.
    Helena erzählte mir, daß die männliche Verwandtschaft bei ihrer Suche nach der kleinen Tertulla nichts erreicht hatte (was mich nicht überraschte). Das letzte Mal war sie offenbar gesehen worden,

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