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Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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standen im Erdgeschoß herum, die Empore wirkte düster und verlassen.
    Als erstes erinnerte Petronius sie daran, daß Vespasians Zusage, die Kaufleute vom Emporium zu entschädigen, eine einmalige Maßnahme gewesen sei. Die Goldschmiede seien rechtzeitig gewarnt worden, verkündete er. Wenn sie versäumt hätten, ihre Geschäfte trotz der amtlichen Aufforderung zu erhöhter Wachsamkeit zu schützen, müßten sie für ihre Verluste selbst aufkommen.
    Das wurde aufgenommen wie ein Gladiatorenstreik bei einem Fünftagefest. Um überhöhte Forderungen zu vermeiden, machte Martinus sofort die Runde bei den Juwelieren und stellte eine weitere Liste auf. Vielleicht würde der Kaiser sich ja doch zu einer symbolischen Entschädigung bereit erklären. Wahrscheinlicher war allerdings, daß er dem Präfekten der Vigiles einen strengen Verweis erteilen würde, weil es diesem nicht gelungen war, einen weiteren Raubüberfall zu verhindern. Der Präfekt würde es am Tribun der Siebten Kohorte auslassen, die für die Saepta verantwortlich war, und an Marcus Rubella, Tribun der Vierten, der die Sonderermittlungen leitete und die Bande fangen sollte. Rubella würde Petronius fertigmachen wie ein Sack nasser Zement, der aus großer Höhe herabstürzt.
    Ich machte mir ein Bild vom Ausmaß des Raubzuges. Er war phänomenal. Mehr brauchte ich nicht zu wissen. Alles weitere war Routine: endlose Details notieren und unwillige Zeugen befragen, deren Aussagen sich wahrscheinlich als nutzlos erweisen würden. Als ich meinen Vater entdeckte, zerrte ich ihn in sein Büro. »Den Leuten geht’s schon elend genug! Laß uns lieber verschwinden!«
    Papa war diesmal verschont geblieben. Die Räuber waren durch das Gebäude gestürmt und hatten Edelsteine und kostbare Schmuckstücke eingesackt. Sie hatten ganz genau gewußt, was sie wollten. Möbel und elegante Lampen hatten sie nicht interessiert. Papa schmollte.
    »Nicht die Bohne Geschmack!«
    »Sei doch dankbar, du Halunke.«
    »Ich hätte es aber lieber, wenn meine Sachen gefragt sind.«
    »Jeder Liebhaber nachgemachter Marmortische mit fehlendem Fuß kann sehen, daß er bei dir am besten bedient wird! Jeder Sammler, der zwanzig identische Statuetten einer Muse auf dem Helicon will – eine oder zwei davon mit angeschlagener Nase – wird sofort zu dir gerannt kommen … Hast du meine Nachricht erhalten?«
    »Irgendein unverständliches Gequassel meines Verwalters.«
    Papas Verwalter war absolut kompetent, wie ich zufällig wußte. Papas Dienstboten waren, genau wie seine Waren, von besserer Qualität, als man beim ersten Hinsehen meinen sollte. Ich wiederholte geduldig: »Wir haben einen deiner Glaskrüge gefunden.«
    »Ach?« Er konnte sich kaum aufraffen, Interesse zu zeigen. Ich wußte, warum. Lieber hätte er die Entschädigung des Kaisers kassiert, bar auf die Kralle, als die Schätze zu besitzen und zu verkaufen, die wir unter so vielen Mühen nach Hause gebracht hatten. Er machte mich fuchsteufelswild.
    »Du bist wirklich das Letzte, Papa! Und was ist mit dem Geschenk für Helena?«
    »Wirklich ein herrliches Stück, das du da für sie besorgt hattest.«
    »Soll das heißen, du hast es gefunden?« Ich war außer mir.
    »Ich hab mir am ersten Abend die Kisten mit dem Glas genau angeschaut. Ich dachte, das hätte ich dir gesagt.«
    »Warum hast du es dann nicht rausgenommen und für mich aufgehoben?«
    »Woher sollte ich wissen, daß es ein Geschenk für Helena war?«
    »Es war in eine meiner alten Tuniken eingewickelt. Spätestens daran hättest du es erkennen müssen.«
    »Ich dachte, du hättest da eine Bestechung für irgendein hübsches Lärvchen versteckt.«
    »Ach, Himmel noch mal! Ich hure nicht mehr in der Gegend herum.«
    »Jupiter, das ist ja was ganz Neues!«
    »Beurteile mich gefälligst nicht nach deinem eigenen schlechten Benehmen!« Ich war so wütend auf ihn, daß ich es nicht ertragen konnte, dazubleiben und mit ihm um einen Ersatz zu feilschen, obwohl ich bis zum nächsten Morgen unbedingt ein Geschenk brauchte. Mit einem kurzen Fluch – unserem üblichen Abschied – fegte ich Papas Angebot für einen Becher Wein beiseite und stürmte nach Hause.
    Als ich die Brunnenpromenade erreichte, war es dunkel. Ich schluckte meinen Ärger runter und konzentrierte mich darauf, Augen und Ohren offenzuhalten. Ein entflohenes Huhn rannte mir voller Panik über die Füße und ließ mich zusammenzucken. Vor der Bäckerei, dem Korbladen und ein oder zwei anderen Geschäften flackerten

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