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Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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jetzt taten, war ihre Sache. Bald würden sie mehr Bürgerrechte besitzen als er – obwohl sie möglicherweise meinten, dem Herrn, der sie einst freigelassen hatte, die Treue halten zu müssen. Ob sie es so betrachteten, hing davon ab, wie oft er sie während ihrer Sklavenzeit einfach so zum Spaß getreten hatte.
    Noch blieb der große Boss in seiner Kutsche. Es war ein schweres, vierrädriges Gefährt, glänzend schwarz lackiert und mit Silber beschlagen, gezogen von zwei lebhaften Mulis mit bronzenen Trensen und mit Millefiori-Emailarbeit verziertem Zaumzeug. Der Kutscher machte sich einen Spaß daraus, seine dreischwänzige Peitsche knallen zu lassen; die Mulis nahmen es gelassen hin, einige von uns dagegen zuckten unwillkürlich zusammen, als er das Ding plötzlich über unsere Köpfe sausen ließ. Wir waren nervös – warteten immer noch auf den großen Augenblick. Dunkle Vorhänge vor den Fenstern der Kutsche verbargen den Fahrgast.
    Petronius trat vor und begrüßte die Offiziere der Sechsten, die den Mann von Rom hierher eskortiert hatten. Ich blieb dicht neben ihm. Er stellte mir Arica und Tibullinus vor, die er kannte. Tibullinus schien das Kommando zu haben. Er war ein massiger, ungepflegter Zenturio, der mir nicht sonderlich gefiel. Bei ihnen befand sich Porcius, einer von Petros jungen Rekruten, der der Sechsten formell als Beobachter zugeteilt worden war. Er verkrümelte sich ziemlich rasch.
    Während wir die Formalitäten erledigten, näherten sich zwei weitere Pferde. Ihre Reiter stiegen ab, schlossen sich uns an und nickten Petro offen zu.
    »Was soll das?« rief Tibullinus in ärgerlichem Ton, den er zu kaschieren versuchte. »Eine Überwachung? Der Sechsten?«
    »Fern sei es mir, die akribische Sechste zu verleumden!« versicherte Petro. Wenn er es darauf anlegte, konnte er ganz schön verschlagen sein. »Nur zwei meiner Jungs, die ich gebeten hatte, uns behilflich zu sein, wenn sie eine andere Sache erledigt haben. Sieht so aus, als hätten sie euch eben erst eingeholt …«
    Jedem war klar, daß seine beiden Jungs die Sechste und ihren Quasi-Gefangenen die ganze Fahrt lang begleitet hatten – und daß dieser kleine Begleitschutz den Männern der Sechsten nicht aufgefallen war. Sie hätten es merken sollen. Das Ganze hätte ja auch ein Überfall sein können. Wir beließen es dabei, bevor die Sache zu heiß wurde.
    Jetzt stand etwas anderes bevor.
    Einen Augenblick lang herrschte unnatürliche Reglosigkeit, dann reckten sich alle und wurden wachsam. Die Tür der Kutsche öffnete sich quietschend. Balbinus stieg aus.

V
    Es ist immer das gleiche: Man steht einem mörderischen Schwerverbrecher Auge in Auge gegenüber, und er sieht aus wie ein Haarbandverkäufer.
    Balbinus war etwas über fünf Fuß groß – wirklich kein großer Mann. Er reichte mir kaum an die Nasenspitze und schien nicht zu bemerken, daß ihn die meisten der anwesenden Soldaten um fast einen Fuß überragten. Er hatte einen ovalen Kopf, ein ausdrucksloses Gesicht, unstete Augen, die ängstlich und beinahe verwirrt schauten. Sein Auftreten war ruhig, nicht bedrohlicher als das eines Marienkäfers.
    Über seine hochgezogenen Schultern waren eine adrette weiße Tunika und ein grauer Umhang drapiert. Der Umhang war außergewöhnlich ordentlich an seiner linken Schulter mit einer runden, granatbesetzten Goldbrosche befestigt. Seine Haut hatte eine gesunde Farbe. Sie schimmerte durch den dünnen Flaum auf seiner fast kahlen Schädeldecke; das noch vollere Haar über seinen Ohren war mit einer diskreten, aber intensiv duftenden Pomade behandelt worden. Er trug Reisestiefel aus grauem Leder. Sein Siegelring war aus Gold, eine beflügelte weibliche Person, die im griechischen Stil einen mit vier Pferden bespannten Streitwagen lenkte. Dazu zwei weitere Schmuckringe, einer mit Saphiren und Opalen besetzt, der andere aus Blattgold geschnitten und mit Filigranarbeit verziert. Außerdem den breiten, schlichten Goldreif der Equites. Er war nicht bewaffnet.
    Daß Tibullinus, Arica und einige andere von der Sechsten vortraten, ihm die Hand schüttelten und sich von ihm verabschiedeten, stieß mich ab. Petro ging es genauso. Man wünschte ihm eine gute Reise. Wir konnten das Ritual nicht mit ansehen, schauten weg und schnaubten entrüstet. Wir wollten uns nicht in das Gespräch hineinziehen, uns nichts davon aufnötigen lassen. Dies war die Willfährigkeit, aus der Korruption entsteht.
    »Wie kannst du so was tun?« fuhr Martinus Arica an;

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