Gnadenfrist
verprügeln kann, wenn du dich nicht beeilst.« Ich klang wie ein Wachhauptmann. Manchmal muß man sich auf dieses Niveau herablassen, wenn man was erreichen will.
Mit einem wütenden Blick schnallte Igullius seinen Rippeneinzwänger los. Geldbeutel purzelten mit melodischem Klirren aus seiner Tunika. Eine schlug ihm schmerzhaft gegen die Kniescheibe und ließ sein Bein unwillkürlich zucken. »Oh, schau mal, Falco, es schneit Denari!«
»Hab schon verstanden«, erwiderte Igullius trotzig, während Martinus die Tunika des Taschendiebs lüftete, für den Fall, daß da noch mehr verborgen war.
»Ich nehm nichts«, antwortete Martinus liebenswürdig und gelassen. Igullius schien sich nicht darüber im klaren zu sein, daß dies der Achte Bezirk war, das Forum Romanum, während wir zum Dreizehnten, also zum Aventin gehörten. Hier war die Erste Kohorte zuständig, von der sich typischerweise in der letzten Stunde keiner hatte blicken lassen. Martinus bückte sich und sammelte das Diebesgut ein. »Das Spiel ist aus, Igullius. Stell dich schon mal drauf ein; wir werden dich kreuzigen.«
»Ich hab doch nichts getan.«
Martinus hielt ihm zwei der Börsen vor die Nase. »Darüber müssen wir noch ausführlich reden. Komm, Falco, wir bringen ihn irgendwo hin, wo’s ruhig ist.«
»Oh nein!« Blankes Entsetzen packte unseren Gefangenen. »Mit euch geh ich in keine Zelle!« Martinus hatte nie vorgehabt, ihn ins Wachlokal der Vierten zu bringen; abgesehen von der Tatsache, daß wir Petronius nicht mit reinziehen wollten, war es viel zu weit weg. Aber bereits die Andeutung löste eine heftige Reaktion aus. Irgend jemand von den Kohorten mußte einen furchterregenden Ruf haben.
In seiner Angst versuchte Igullius einen plötzlichen Ausfall. Ich packte ihn, drehte ihm die Arme auf den Rücken und hielt ihn fest. Nun mußte Martinus zwar den grausigen Atem ertragen, aber er machte tapfer weiter. »Du stinkst, und du klaust. Nenn mir einen guten Grund, warum ich dich mit Samthandschuhen anfassen soll, Igullius!«
Der Taschendieb war lange genug im Geschäft, zu wissen, was von ihm erwartet wurde. »Oh, Jupiter! Gut, was muß ich machen?«
»Mit uns zusammenarbeiten. Aber es wird dir gefallen«, versicherten wir ihm. »Wir geben dir Geld für eine Nutte!« Damit drehten wir den Taschendieb um, packten ihn jeder an einem Arm, hoben ihn über einen Pflastermaler, der neben einem herzzerreißenden Bild bettelnd am Boden saß, und marschierten mit ihm die Via Sacra hinunter.
Als wir die Via Nova überquerten und in den Schatten des Palatin kamen, bemerkte ich Tibullinus, den Zenturio der Sechsten. Wir hatten ihn in Ostia gesehen, und er war aufgetaucht, als wir Nonnius’ Leiche fanden. Wir durften nicht zulassen, daß er uns hier sah – dazu war Tibullinus zu sehr in die Sache verstrickt. Ich gab Martinus ein Zeichen. Er kapierte sofort. Aber Tibullinus patrouillierte den Palatin in einem Stil, der gut zu ihm zu passen schien – er lachte und scherzte mit allen, die er kannte. Uns bemerkte er nicht.
Wir nahmen unseren neuen Bekannten mit zum »Öligen Krug«. Diesmal waren wir brüsker mit der Frau. Sie hatte die Wahl – die nächsten zwei Tage entweder bei Freunden zu verbringen oder in einer Zelle. Wieder wirkte die Drohung Wunder. Prompt erinnerte sie sich daran, daß sie eine Schwester hatte, die sich nach ihr sehnte, und floh aus unserem Beobachtungsposten.
Igullius auf seinen Einsatz vorzubereiten, war reichlich ermüdend. Wir benutzten die freundliche Methode und knufften ihn nur, wenn seine Aufmerksamkeit nachließ. »Das Gebäude da drüben wird die ›Laube der Venus‹ genannt …«
»Das ist ›Platons Akademie‹.«
»Warst du schon mal da?«
»Klar.« Wahrscheinlich log er, wollte aber vor uns als Mann von Welt erscheinen.
»Tja, das ›Platons‹ hat vielleicht eine neue Geschäftsführung, aber wir sind nicht am Bordell selbst interessiert. In Rom ist ein Phönix auferstanden. Ein Mann, der in die Verbannung sollte, ist wieder nach Hause gekommen.« Möglicherweise wußte Igullius Bescheid. Er wurde ganz bleich. »Sein Name ist Balbinus Pius. Einige seiner Männer hängen im ›Platons‹ rum. Vielleicht ist er ebenfalls da. Vielleicht hat er auch nur Zimmer für sie gemietet. Aber wenn er seine Truppen besucht, wollen wir davon wissen. Für dich heißt das folgendes, Igullius: Du gehst da rein, triffst einen Kumpanen oder suchst dir einen neuen, wenn es sein muß; doch egal, wie du es anstellst, du
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