Gnadenfrist
bleibst da ruhig in einer Ecke sitzen und hältst so lange die Klappe, bis du rauskommen und uns Tag und Uhrzeit nennen kannst, zu der Balbinus zu einem Gespräch zur Verfügung steht.«
»Oh, geben Sie mir eine Chance, Falco! Wenn ich das versuche, bin ich tot.«
»Du bist auch tot, wenn du es nicht versuchst.« Martinus lächelte ihn an. Er genoß es, den grausamen Scharfrichter zu spielen.
Ich nahm die Sache wieder in die Hand. »Jetzt beruhige dich, Igullius. Wir wissen, daß du nicht durch und durch schlecht bist, also geben wir dir diese einmalige Chance, es zu beweisen. Du wirst unser Geheimagent. Und zur Entschädigung für deinen Verdienstausfall bekommst du am Ende des Tages einen hübschen Batzen Geld.«
»Wie wär’s mit einem kleinen Vorschuß?«
»Du spinnst wohl«, meinte Martinus. »Wir sind Vigiles. Wir müssen eine Abrechnung vorlegen.«
Igullius versuchte es mit einer letzten verzweifelten Ausrede. »Da drinnen wimmelt es von harten Männern. Die entdecken einen Spitzel doch sofort.«
»Du bist ja angeblich schon mal dort gewesen. Da wirst du wohl wissen, wie du dich unauffällig benehmen mußt«, sagte ich mitleidlos. »Das dürfte dir nicht schwerfallen. Jeder, der sich anschleichen und Geldbörsen klauen kann, obwohl er schon auf zwanzig Schritt Entfernung aus dem Maul stinkt, ist fähig, sich gefahrlos unter eine Bande hirnloser Verbrecher zu mischen.«
Damit sein Einstieg überzeugend wirkte, gaben wir ihm das Geld für die Nutte, dann schoben wir ihn zur Tür hinaus.
Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Kaum zwei Stunden später war Igullius zurück, kam wie eine erschreckte Katze über die Straße gesaust. Was immer er erfahren haben mochte, es hatte ihn regelrecht in Panik versetzt. Er stürzte in das Thermopolium, warf sich hinter den Tresen und schlug die Hände vors Gesicht.
»Oh, ihr Mistkerle! Zwingt mich nicht, noch mal da reinzugehen.«
»Das kommt darauf an«, bellte Martinus. »Was hast du rausgekriegt?«
»Genau das, was ihr wolltet. Mehr ist nicht drin!«
Um seine Hysterie zu dämpfen, holte ich ihm was zu trinken. Er goß den Wein, von dem ich wußte, daß er abscheulich war, in so großen Schlucken runter, als sei er gerade einem sechstägigen Wüstensturm entronnen. »Reiß dich zusammen. Du bist jetzt in Sicherheit. Wie war denn dein Mädchen?«
»Nicht übel …« Leicht abzulenken, der Knabe! Martinus und ich beugten uns über den Tresen und betrachteten ihn. Wie ein Häuflein Elend hockte er zu unseren Füßen. Allmählich beruhigte sich sein Atem.
»Ich glaube, er ist drin! Ganz bestimmt!«
»Läßt sich aber nicht blicken, oder?« fragte Martinus.
»Ich habe ihn nicht gesehen. Ich meine, ich hab keinen gesehen, der ein so großer Macker sein könnte.«
»Groß? Glaub das bloß nicht«, knurrte ich verächtlich. »Balbinus ist nichts weiter als ein Floh.«
Igullius redete weiter, verhaspelte sich beinahe, so sehr wollte er es hinter sich bringen. »Da drinnen ist die Hölle los. Ich war noch nie in einem Schuppen, wo es derart zuging. Ich hab ein halbes Dutzend Kerle gesehen, und was für welche. Da ist ein großer Raum …« Er zitterte, konnte nicht weitersprechen. Das klang nach dem höhlenartigen Gewölbe, in das Petro und ich einen kurzen Blick geworfen hatten. Damals war er voll kleiner Gauner gewesen, aber als ich den zitternden Igullius nach näheren Einzelheiten fragte, beschrieb er eine regelrechte Räuberhöhle, in der die Gangster offen ihren Geschäften nachgingen.
Ich warf Martinus einen Blick zu. »Irgendwas ist anders. Sieht so aus, als hätte Balbinus die Sache übernommen und benutzt das Haus als sein Hauptquartier. Hat jemand Lalage erwähnt, Igullius?« Er schüttelte den Kopf. »Und was ist mit dem Bordellbetrieb? Du sagst ja, du wärst schon mal dort gewesen. Läuft der wie immer?« Diesmal nickte er.
Während ich nachdachte, versuchte Martinus ohne allzu großen Erfolg, unserem Lauscher noch mehr nützliche Fakten zu entlocken. Ich mischte mich nicht ein. Natürlich konnten wir ihn heute nachmittag nicht noch mal ins »Platons« schicken. Das Mädchen an der Tür würde mißtrauisch werden. Martinus entschied, daß Igullius seine Schuldigkeit getan hatte.
»Dann will ich aber mein Geld.«
Martinus sah mich unglücklich an. Eine Belohnung in der Höhe auszuzahlen, wie wir sie versprochen hatten, überstieg offensichtlich seine Befugnisse, und er war sogar zu redlich, Igullius die Geldbörsen zurückzugeben, die er
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