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Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Gläschen und dem Abakus in der Hand dasitzend vorzufinden, dann wollte ich eine Rückendeckung, der ich vertrauen konnte.
    »Also schlagen wir zu?« fragte Martinus ungeduldig. Seinem Ton war zu entnehmen, daß er nicht weiter mit mir zusammenarbeiten würde, wenn ich ablehnte. Ich konnte zwar gut ohne sein Damespiel existieren, aber der Gedanke an das Chaos, das er anrichten mochte, wenn er allein weitermachte, beunruhigte mich zutiefst.
    »Wenn Rubella uns Verstärkung schickt, schlagen wir zu.«
    Trotz seiner hohen Meinung von sich konnte Martinus eine nur von uns beiden durchgeführte Razzia im »Platons« nicht ernsthaft in Erwägung ziehen. Also trabte er los, um sich mit seinem Tribun zu besprechen. Ich blieb da und hielt weiter die Augen offen. Inzwischen ging es so lebhaft zu, daß wir nicht riskieren konnten, beide zur gleichen Zeit zu verschwinden. Zu leicht hätte uns etwas entgehen können.
    Eine Zeitlang saß ich gedankenverloren da. Ich hatte mir eine leere Notiztafel geschnappt und zeichnete nach dem, was mir von meinen beiden Besuchen im Gedächtnis geblieben war, einen Lageplan des Bordells. Eines wußte ich zumindest: Das Gebäude war sehr groß. Es erstreckte sich über mindestens drei Stockwerke, jedes davon mit zahllosen Fluren. Wahrscheinlich war es ursprünglich ein einzelnes Haus gewesen, und die Nachbarhäuser zur Linken und Rechten waren, als der Erfolg nach Expansion verlangte, dazugekauft worden. Obwohl es ein Hauptportal gab, war uns aufgefallen, daß einige der Gangster an eine unauffällige Seitentür klopften und eingelassen wurden: ein Familieneingang für Kriminelle. Auf der anderen Seite lag genau so eine Tür, die allerdings viel weniger benutzt wurde. Gelegentlich schlüpften Frauen hinein und hinaus. Einmal kam eine mit zwei kleinen Kindern heraus; offenbar der Privateingang der Nutten. Nicht viele hatten die Freiheit, einfach zu kommen und zu gehen. Ich fragte mich, was sie wohl machen würden, wenn wir das Gebäude stürmten.
    Gelegentlich empfingen die Nutten eigene Besucher. Alles Frauen. Ich dachte mir ein paar hübsche Gründe für diese mysteriösen Besuche aus. Wie zum Beispiel den, daß es Damen mit besonderen Talenten waren, die auswärts wohnten und nur gelegentlich verpflichtet wurden. Oder die alte Geschichte, die unter Halbwüchsigen kursiert – vornehme Damen der Gesellschaft, die gutbetuchte und bevorzugte Kunden im Bordell bedienen. Einige meiner Theorien waren völlig hirnrissig. Dann kamen zwei Frauen, deren Verhalten mich überzeugte. Plötzlich glaubte ich zu wissen, was manchmal hinter dieser privaten Tür vorging.
    Sie kamen in einer Sänfte, die sie an der Straßenecke warten ließen. Nachdem sie ausgestiegen waren, sahen sie sich verstohlen in der schmalen Gasse um. Ihre Röcke waren lang und voll, und sie hatten sich die Kapuzen ihrer Umhänge weit ins Gesicht gezogen. Nach kurzem Zögern rissen sie sich zusammen und marschierten Arm in Arm auf die geheimnisvolle Tür zu. Gepflegte Sandalen klapperten über das Pflaster. Eine von ihnen klopfte so laut an die Tür, daß ich es hören konnte. Gleich darauf wurde geöffnet, eine gedämpfte Verhandlung geführt, und die beiden Frauen traten ein.
    Natürlich war mir klar, was das bedeutete. Ein Mädchen mit Geld war von einem Liebhaber in Schwierigkeiten gebracht worden. Unterstützt von einer Freundin, war sie ins Bordell gekommen, um ihrem Problem durch eine Abtreibung ein Ende zu machen. Die »Laube der Venus« war mit Sicherheit für so was eingerichtet.
    Damit hätte ich leben können. Verzweifelte Menschen haben das Recht, ihr Leben aufs Spiel zu setzen, wenn es keine andere Alternative gibt.
    Was mich krank machte, war allerdings die Tatsache, daß ich die beiden Frauen trotz ihrer Vorsicht erkannt hatte. Die eine war klein und stämmig und hatte einen selbstbewußten Gang; die andere war größer und hielt sich sehr gerade. Die erste war meine Schwester Maia. Und die andere war Helena.

LIX
    Sie blieben sehr lange drinnen. Alles in mir drängte mich, ihnen nachzurennen, doch ich blieb auf meinem Posten und brütete düster vor mich hin.
    Plötzlich waren sie wieder draußen. Die Tür knallte hinter ihnen zu. Sie machten ein paar rasche Schritte und blieben dann in eine hitzige Diskussion verwickelt stehen. Mit großen Schritten lief ich zu ihnen hinüber.
    »Oh, ihr Götter! Hängst du immer noch bei den Bordellen rum?« kreischte Maia.
    »Ach, du bist hier!« rief Helena. Es klang erleichtert. Ihr

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