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Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Besuch bei Lalage gestärkt und als Gesetzeshüter zu erkennen gegeben hatten. Heute wollte ich als gewöhnlicher Missetäter durchgehen.
    Auch Martinus würde nicht weiter auffallen. Er mochte um die vierzig sein, also älter als Petronius, der Chef, den er so gern beiseite schubsen wollte. Soviel ich wußte, war er unverheiratet, und obwohl er viel über Frauen redete, waren seine Affären bloße Zufälle in einem geordneten Leben. Er hatte glattes, sauber geschnittenes braunes Haar, starken Bartwuchs und eine dunkle Warze auf der Wange. Er schien zu langweilig, um Aufsehen zu erregen.
    Im Laufe des Vormittags wurde es etwas lebhafter – Männer aus der Nachbarschaft, die »Platons Akademie« ihren üblichen Besuch abstatteten. Es schien so lange her, seit ich darüber mit Petro gewitzelt hatte, doch als ich mir die Mühe machte, nachzurechnen (ich brauchte Beschäftigung), stellte ich fest, daß es erst vor fünf Tagen gewesen war. In diesen fünf Tagen war Rom von einer Stadt, in der man besser die Augen aufhielt, zu einem Ort völliger Gesetzlosigkeit verkommen.
    »Es geht los!« Martinus hatte Verdächtige entdeckt. Aus dem Bordell traten drei Männer: ein dünner in einer himmelblauen Tunika mit intelligentem Gesicht und einer Schriftrolle, die von seinem Gürtel herabbaumelte, dazu zwei Kumpane, einer plump, der andere pockennarbig und beide unauffällig. Wir hatten sie am Morgen nicht hineingehen sehen; sie mußten demnach im »Platons« übernachtet haben.
    »Kennst du die?« fragte ich leise.
    »Der in Blau ist ein Cicero.« Ich hob die Augenbraue. »Ein Schwätzer, Falco. Er lenkt die Aufmerksamkeit der Gäste in Weinschenken auf sich, bringt sie mit seinen Geschichten und Witzen zum Lachen, während die anderen zwei sie ausrauben.«
    Martinus zog eine Notiztafel und einen Stilus heraus und begann, sich in großen lateinischen Buchstaben Notizen zu machen. Im Verlauf des Tages wurden die Buchstaben immer kleiner, weil sich die Tafel füllte. Um uns unauffälliger zu machen, kramte er später Damesteine heraus, Glaskugeln in Rot und Schwarz, die er in einem Lederbeutel am Gürtel trug. Das Spielbrett malten wir mit Sauce auf den Marmortresen. Damit es echt wirkte, mußten wir richtig spielen, was noch schlimmer war. Ich hasse Dame. Martinus war ein intelligenter Spieler, der das Spiel genoß. Ja, er war so eifrig bei der Sache, daß es eine Beleidigung gewesen wäre, nur so zu tun, also mußte ich richtig spielen und versuchen, mich seinem Standard anzupassen.
    »Du solltest mehr üben, Falco. Das ist ein Spiel, das Können verlangt. Man kann es mit Ermittlungsarbeit vergleichen.« Martinus war einer von diesen hochtrabenden Spielbrettphilosophen. »Du brauchst geistige Beweglichkeit, einen starken Willen, Wendigkeit, Konzentration …«
    »Und kleine Glaskugeln«, bemerkte ich.
    Der Morgen verlief ohne größere Zwischenfälle. Allerdings sahen wir einen humpelnden Mann, der wohl zu der Bande gehörte, die auf »verwundeter Soldat« machte, und einen anderen, den Martinus mal verhaftet hatte, weil er mit einer Hakenstange Weinbecher aus Imbißbuden klaute. Der Mann schien sich nicht für den »Öligen Krug«, unser Versteck, zu interessieren. Als sich gegen Mittag eine ganze Parade offenbar normaler Kunden ins Bordell drängte, ließ mein Begleiter, der mir gerade meinen letzten wichtigen Stein nehmen wollte, seine Hand in der Luft verharren. »Falco! Da kommen zwei echte Unterwelterzieher!«
    Auf diese zwei Schläger brauchte er mich nicht extra hinzuweisen. Der Müller und Klein-Ikarus verließen »Platons Akademie« zu einem Mittagsspaziergang. »Die kenne ich. Das sind die beiden, die mir eine etwas rauhe Massage verpassen wollten. Sie müssen da wohnen.«
    »Daß wir zwei von Balbinus’ alter Truppe hier gesehen haben, ist Grund genug für eine Razzia, Falco.«
    »Meinst du wirklich? Wir müssen sicher sein, daß wir ihren Boss erwischen.«
    »Wenn er drin ist.«
    »Wenn er nicht die ganze Zeit drin ist, kommt er sicher hin und wieder zu Besuch.« Bevor wir etwas Übereiltes unternahmen, wollte ich mindestens noch einen Abend und eine Nacht abwarten und beobachten. Martinus machte keine Anstalten zu widersprechen. Er war nicht dumm – ganz im Gegenteil. Der Kerl war ein überlegener Damespieler.
    Am Nachmittag fielen uns noch drei weitere dubiose Gestalten auf, die das Haus verließen. Alles andere als ehrbare Bürger. Ein Geschniegelter mit durchlöcherten Sandalen und einem Niellogürtel, ein

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