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Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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es zu behalten. Er hatte die alte weinende Frau gesehen und das Mädchen, das nicht merkte, daß man ihm nach Hause folgte. Sein Blick fiel schließlich auf eine Gruppe von Jungen, die sich auf den Stufen des Tempels der Dioskuren lümmelten, Jungen, die eindeutig etwas im Schilde führten, auch wenn ihr Leben noch nicht dem Verbrechen geweiht war.
    »Natürlich ist es ein guter Beruf«, sinnierte er. »Viel frische Luft und geistige Herausforderung. Zumindest ist es keine Überraschung, wenn du eins über den Schädel kriegst. Vieles ist Routine, aber man bekommt genug Gelegenheit, Eigeninitiative zu zeigen. Man hat wunderbare Kollegen, die einen Tag und Nacht beleidigen. Und dazu die Freude, zu wissen, daß einen alle anderen nur für einen Feuerwehrmann halten und verachten. Ich habe seit fünfzehn Jahren keinen Brand mehr gelöscht.«
    »Du hast den größten Teil deiner Karriere mit Ermittlungen verbracht?«
    »Man ist wohl der Meinung, ich hätte Talent dafür«, erwiderte er trocken.
    Er hatte den zynischen Ton eines Mannes, der weiß, daß alle Vorgesetzten unfähig sind, Menschen zu beurteilen oder zu führen. Das hätte ihn angreifbar machen können. Aber irgendwie hatte ich das Gefühl, daß Martinus zu gelassen war, um sich sein Leben durch Bestechlichkeit zu komplizieren. Viel zu faul dazu, würde Petro sagen.
    »Und was sollen wir deiner Meinung nach jetzt tun?« fragte ich. Natürlich hatte ich meine eigenen Vorstellungen. Ich war davon überzeugt, daß das Bordell die neue Zentrale des Balbinus-Imperiums war.
    »Wir müssen rauskriegen, ob Balbinus in ›Platons Akademie‹ untergekrochen ist.«
    Soweit teilte ich seine Meinung. »Und wenn nicht, wann sie ihn erwarten.«
    »Also brauchen wir drinnen einen Mann«, sagte Martinus.
    Ich sah ihn beklommen an. »Du meinst, einen von uns?«
    »Jupiter, nein! Außer«, grinste er, »du würdest dich gern freiwillig dafür melden.«
    »Unter den Umständen melde ich mich lieber freiwillig für einen langen Urlaub bei einem Schweinebauern in Bruttium!«
    Martinus schüttelte den Kopf. »Wir brauchen jemanden, der auf sich gestellt arbeitet. Einer, der verkommen genug wirkt, um problemlos akzeptiert zu werden, aber der Bande um Balbinus nicht zur Treue verpflichtet ist.« Er deutete auf einen Taschendieb, der sich in der letzten halben Stunde geduldig durch die Menge gearbeitet hatte. »Den da kenne ich. Für unsere Zwecke genau der Richtige.«
    Wir gingen hinüber zu dem unauffälligen Beutelschneider und warteten, bis er sein nächstes Opfer anrempelte. Sofort legte ihm Martinus die Hand auf die Schulter, und der Mann versuchte, genauso blitzschnell davonzurennen. »Leg ihn flach, Falco!«
    Ich schlug dem Dieb die Beine weg, und Martinus ließ sich auf ihn fallen. Wir warfen dem Opfer die Börse zu. Der Mann blinzelte erstaunt und schaute uns an, als befürchte er, das alles sei nur die Vorbereitung für einen wirklich üblen Trick. Seufzend winkte Martinus ihn weg.
    Wir stellten den Taschendieb auf die Füße und grinsten ihn an.

LVIII
    »Hör zu, Claudius …«
    »Ich heiße Igullius!«
    Er war ein Zwerg; meine Börse hätte der niemals gekriegt. Ich hätte dieses häßliche, lächerliche Wesen nie nah genug an mich rangelassen. »Er heißt Igullius. Schreib das auf, Martinus!« Martinus zog seine Notiztafel heraus und schrieb, nachdem der sich zuvor höflich erkundigt hatte, wie man den Namen buchstabiert.
    Der Taschendieb hatte ein verschmiertes Gesicht und fettiges Haar. Er atmete rasch und verängstigt, wir konnten riechen, daß er zum Frühstück hartgekochte Eier gegessen hatte; sein Mittagessen hatte aus einem Knoblaucheintopf bestanden. Viel Knoblauch, der jetzt aus allen Poren seiner ungesunden Haut trat.
    Martinus und ich traten einen Schritt zurück. Igullius überlegte offenbar, ob er einen Ausbruch wagen sollte. Wir funkelten ihn finster an. Er blieb, wo er war. Martinus erklärte wie ein freundlicher Onkel, daß wir ihn durchsuchen müßten.
    Igullius trug eine Toga aus naturfarbener Wolle, die Martinus ihm mit gespitzten Fingern abnahm, als hätte er Angst, sich was einzufangen. Zu unserer Überraschung war in ihren Falten nichts verborgen. Igullius machte ein selbstzufriedenes Gesicht. Wir besahen ihn uns genauer: abgelatschte Stiefel und eine am Hals ziemlich weit geschnittene Tunika, zusammengehalten von einem enggeschnallten Gürtel, der ihn fast in zwei Teile schnitt.
    »Nimm den Gürtel ab«, befahl ich.
    »Warum?«
    »Damit ich dich

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