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Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Muskelprotz mit gebrochener Nase, der Steinchen vor sich her kickte, und ein Dürrer, der sich am Kopf kratzte, als würde ihn eine ganze Herde kleiner Logiergäste nerven. Allein vom Zusehen juckte es mich sofort überall.
    »Was hältst du davon, wenn wir uns mal die Beine vertreten?« fragte ich. Martinus schob sofort die Glaskugeln in den Lederbeutel, und wir folgten dem Trio. Wir mußten beide gehen. Allein kann man keine drei Männer beschatten.
    Für einen guterzogenen Jungen vom Aventin war es ein wahrer Augenöffner. Zuerst drängten sich zwei von ihnen in eine vollgestopfte Imbißbude, taten so, als wollten sie nur rasch einen Teller gefüllter Weinblätter essen, und filzten dabei die Taschen der Kundschaft mit einer Geschicklichkeit, die mich sprachlos machte. Als jemand zu früh nach dem Geldbeutel griff, merkte, daß er weg war und die beiden ins Visier nahm, schlängelten sie sich davon wie die Aale. Der dritte Mann lehnte am Türrahmen, als hätte er nichts damit zu tun; er schickte den Beklauten im Galopp in die falsche Richtung, während sich unsere drei Früchtchen in die entgegengesetzte davonmachten. Wir sahen sie die geklauten Börsen nicht ausleeren, fanden aber die leeren Geldbeutel kurz darauf in einem Karren.
    Wir teilten uns, verfolgten die drei auf verschiedenen Straßenseiten. Sie gingen jetzt Richtung Forum. Dort war um diese Zeit viel los, alle Tempelstufen voller Geldwechsler und Händler und um die Rostra herum dichtes Gedränge. Beim Haus der Vestalinnen blieb der Dürre mit den hyperaktiven Läusen kurz stehen, versetzte einem Betrunkenen einen Fußtritt und raubte ihn aus. Das Geräusch, mit dem sein Stiefel die Rippen brach, war das Symbol aller Bösartigkeit der Typen, die für Balbinus arbeiteten.
    Die Männer schoben sich durch das Gewühle der Fischweiber und Brotverkäufer, »probierten« nach Lust und Laune Brötchen, Würste und Obst, ohne dafür zu bezahlen. Der eine hatte den Bogen besonders gut raus, lehnte sich weit über die Verkaufstische und schnappte Geld oder Waren. Schließlich ertrugen wir es nicht mehr, zuzusehen, ohne sie verhaften zu können. Eine Festnahme hätte womöglich Alarm im Bordell ausgelöst; wir mußten uns zurückhalten. Sie schlenderten jetzt in Richtung Basilica Aemilia, dem größten Einkaufszentrum von Rom, in dem sich fliegende Händler und wohlgefüllte Stände drängten; genug, um unseren fleißigen Jungs ein lukratives Stündchen zu bescheren.
    Wütend gingen Martinus und ich zum Forum zurück. Im Schatten des Tempels des Divus Julius gönnten wir uns eine Verschnaufpause und überdachten, was wir bisher erreicht hatten.
    »Die drei sind ganz schön scharfe Burschen. Was du da entdeckt hast, trägt eindeutig Balbinus’ Zeichen«, bemerkte Martinus. Er wirkte deprimiert.
    »Was ist los? Meinst du, wir verschwenden unsere Zeit, wenn wir uns die Bande holen?«
    »Diebe wird man nie los, Falco. Wenn wir die drei in eine Zelle sperren, kommen sofort die nächsten und klauen den Gästen die Geldbörsen, während die ihr Essen verputzen.«
    »Warum hast du dir diesen Beruf ausgesucht, wenn du so denkst?«
    »Tja, warum!« Er seufzte bitter. Ich sagte nichts. Ich wußte, daß diese trüben Stimmungen zum Leben der Vigiles gehörten. Dazu kannte ich Petro lange genug.
    Manchmal brachten der Druck und die Gefahr, das schiere Gewicht der Verzweiflung, einen von ihnen dazu, aufzugeben. Das warf die anderen eine Weile lang noch mehr aus der Bahn. Doch normalerweise stöhnten sie viel, betranken sich sinnlos und machten weiter. Bei ihrer miesen Bezahlung und den schlechten Bedingungen, plus der traditionellen Gleichgültigkeit ihrer Vorgesetzten, wirkten Klagen und Beschwerden nur allzu verständlich.
    Martinus beobachtete jetzt die Passanten. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und streckte den fetten Hintern raus, wie es seine Art war. Seinen großen Augen entging nichts. Mir fiel ein, daß es Martinus gewesen war, der unruhig an der Tür blieb, während wir in Ostia auf Balbinus warteten, und wie rechtzeitig er uns vor der Ankunft der Eskorte gewarnt hatte. Obwohl sein Kopf voller entmutigender Philosophie zu sein schien, hatte er hier auf dem Forum den sturzbesoffenen Landstreicher entdeckt, der sich trotzdem zielstrebig auf zwei hochnäsige Togaträger vor der Basilica Julia zubewegte. Er hatte die herumalbernden Sklaven bemerkt, auch den, der einem anderen ein Tintenfaß stibitzt hatte und es in seinem Ärmel verbarg, offensichtlich um

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