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Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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auf dem Forum geklaut hatte (was ich getan hätte, schließlich handelte es sich hier um eine Krise). Also blieb ihm nichts anderes übrig, als Igullius auf einer Notiztafel einen Schuldschein auszustellen. »Geh damit ins Wachlokal – aber erst morgen!« sagte er streng. Das würde ihm ein wenig Zeit verschaffen, bevor Petronius dahinterkam.
    Der Taschendieb packte den Schuldschein, rappelte sich hoch und hastete davon.
     
    Ich dachte weiter nach. Es sah aus, als hätte Lalage mich belogen – keine sonderliche Überraschung.
    Ich konnte mir nicht vorstellen, daß sie das Verbrecherimperium vom »Platons« aus führte. Lalage war nicht so dumm, das offen zu tun.
    Sie arbeitete immer noch für das alte Regime. Nach all ihrem Gerede von Unabhängigkeit fiel es mir schwer zu glauben, daß sie nachgegeben und Balbinus Pius erlaubt haben sollte, sich in ihren Räumen breitzumachen. Daß er sich sogar dort versteckte, schien unfaßbar.
    Sie würde das niemals tun. Entweder hatte er sie verschwinden lassen – dann würde der Bordellbetrieb wohl kaum so reibungslos laufen –, oder Lalage verfolgte ihre eigenen Pläne. Dann sah es schlecht aus für Balbinus. Aber uns konnte es helfen.
    Während Martinus und ich unsere Bewachung fortsetzten, ließen wir alles Geplauder – und das Damespiel – sein. Das war mir nur recht. Damit hörte auch sein Geschwätz über brettspielende Männer und ihre Fähigkeiten, Schwerverbrecher zur Strecke zu bringen, auf. Um Rom von Balbinus zu befreien, war ein plötzlicher Überfall mit scharfen Waffen nötig, kein intellektuelles Geschwafel.
    Der Tag zog sich endlos, und ich schätzte, wir hatten noch eine lange Nacht vor uns. Wir fanden ein bißchen altes Brot zum Knabbern und gönnten uns was zu trinken. Sofort begann es in meinen Innereien gefährlich zu rumpeln.
    Gegen Abend wurde die Situation immer angespannter. Irgendwas ging da drüben vor. Männer kamen allein, zu zweit oder zu dritt zum Bordell. Leise wie Fledermäuse erschienen sie auf der Straße. Sie hätten auf dem Weg zu einem Fest ihrer Handwerksgilde sein können. Doch dafür waren sie kaum passend gekleidet. Außerdem mußten sie an der Tür erst mal schwer blechen: »Wenn das keine Sore ist, freß ich ’nen Besen!« Martinus hatte den ersten Sack mit Diebesgut erkannt – ein an den Ecken verknotetes Bettlaken, aus dem das fröhliche Geklimper gestohlener Silbersachen tönte.
    Wir wußten beide, was wir da vor uns hatten. Ich hatte es angesprochen, als ich Martinus zum Mitmachen überreden wollte, und hier hatten wir nun den Beweis. Die Vögelchen kamen ins Nest zurück. Die Tagesschicht war zu Ende, und die Jungs brachten die Beute ins Büro. Zahltag: Sie kamen aus allen Ecken des Aventin, vom Tiberufer und dem Forum. Die Taschendiebe und Beutelschneider, die Hochstapler und Trickbetrüger, die Straßenräuber, die leichten Mädchen mit Schlägern als Zuhälter, die miesen Typen, die Betrunkene und Schulkinder ausraubten, die Gangster, die Damen in Sänften überfielen, und die Diebe, die Sklaven verprügelten. In der Hauptsache wurde hier Bargeld abgeliefert. Verkäufliches wurde an Hehler oder Schmelzereien weitergegeben. Ich mußte rasch zu einem Schreibwarenladen laufen und neue Wachstafeln besorgen, weil Martinus mehr Platz brauchte, um alle Verbrecher zu notieren, die er wiedererkannte. Viele waren ihm fremd – zumindest jetzt noch. Die meisten kamen gleich wieder raus – mit deutlich leichterem Gepäck.
    Wir mußten uns überlegen, wie wir weiter vorgehen wollten. »Balbinus hat vielleicht einen Buchhalter im ›Platons‹ sitzen. Einen Helfer, der nur die Bücher führt und die Arbeiter auszahlt.«
    »Was würdest du tun, Martinus, wenn Nonnius Albius der Kassierer deines Vertrauens gewesen wäre und der dich verraten hätte?«
    »Ich würde das Zählen selbst übernehmen.«
    »In dem Punkt wärt ihr euch sicher einig. Wenn das so ist, dann ist er da drinnen.«
    »Er ist da drinnen, Falco. Zumindest jetzt. Aber ich würde an seiner Stelle nicht zu lange dort bleiben.«
    »Du meinst also, wir sollten ihn uns schnappen, bevor er sich aus dem Staub macht?«
    »Bist du etwa nicht dafür?«
    Natürlich war ich das – aber ich wollte, daß wir da in voller Stärke reinmarschierten. Vor allen Dingen wollte ich Petronius dabei haben. Zum Teil aus alter Loyalität. Aber wenn ich schon mit dem Wissen da reinging, daß die Bude voll bösartiger Männer war, und hoffte, den Schlimmsten von ihnen ruhig mit einem

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