Gnadenfrist
Dinge ablegen mußt.«
»Na prima. Dann bin ich dich vielleicht für immer los …«
Ich zeigte ihr das Schaf, gab ihr einen Gratulationskuß, der sie nach einer Serviette greifen ließ, um sich das Gesicht abzuwischen, und trabte fröhlich nach oben.
Noch blieben ein paar Stunden Zeit. In der Ruhe meiner eigenen Wohnung legte ich mich aufs Bett und gab vor, mich in die entsprechende Stimmung für die Opferhandlung zu versetzen. Helena kam rein und legte sich neben mich. »Hm, das gefällt mir.« Ich nahm sie in den Arm. »Vielleicht sollte ich auch schwanger werden. Dann könnte ich den ganzen Tag mit dir hier rumliegen.«
»Wir könnten unsere Symptome vergleichen. Aber das mit der Übelkeit würde dir nicht gefallen.«
Schweigen senkte sich. Nach einer Weile drehte Helena sich zur Seite, damit sie mich ansehen konnte. Sie nahm mein Gesicht in die Hände, inspizierte die halbverheilten Spuren meiner kürzlichen Prügelei im Bordell. Obwohl sie nichts sagte, schaute sie besorgt. Sie verstand, daß trotz der fröhlichen Fassade meine Stimmung düster war. Immer die erste, die meine Depressionen spürte, kannte sie auch den Grund dafür: Wir hatten Rom von viel Abschaum befreit, aber die Aufgabe blieb unvollendet. Wir hatten Horden von Verbrechern eingebuchtet und der Korruption zumindest in einer Kohorte der Vigiles ein Ende gemacht. Mir war dafür sogar ein ansehnliches Honorar gezahlt worden. Ich hätte mit mir zufrieden sein sollen.
Aber wie konnte ich das? Balbinus war entkommen. Er war gefährlich. Er war immer noch da draußen und schmiedete finstere Pläne. Mit etwas Zeit würde er sein Imperium wieder aufbauen. Er würde sich Petronius vorknöpfen und vielleicht auch mich. Nichts hatte sich geändert.
Und auch Lalages Tod deprimierte mich.
Als Helena mit dem Gedankenlesen fertig war, küßte sie mich sanft und kuschelte sich an mich. Wir lagen eng aneinandergeschmiegt, beide wach. Das vertraute Geräusch ihres friedlichen Atmens beruhigte mich. Ihre Zufriedenheit war ansteckend. Ihre ständige Freude an meiner Gegenwart wirkte Wunder, erfüllte mich mit Erstaunen darüber, daß sie sich für mich entschieden hatte.
»Tut mir leid, Liebste. Ich bin in letzter Zeit viel zu wenig bei dir gewesen.«
»Jetzt bist du hier.«
»Morgen fange ich an, die neue Wohnung zu streichen.«
»Wir müssen sie erst saubermachen.«
»Überlaß das nur mir. Das wird heute nacht erledigt. Ich hab mit den Vigiles geredet.«
»Aber heute ist die Hochzeit! Hast du das vergessen?«
»Genau deshalb ist heute der ideale Tag dafür! Ich sehe darin zwei Vorteile, mein Liebling. Wenn mir die Hochzeit nicht gefällt«, was äußerst wahrscheinlich war, »kann ich rüberlaufen und beim Aufwischen helfen. Wenn aber die Hochzeit so toll wird, daß man keinen Moment davon missen möchte, kann ich mitfeiern und mir die Füße nicht naß machen.«
»Du bist unverbesserlich«, sagte Helena mit einer warmen Mischung aus Bewunderung und Spott.
Wieder lagen wir ruhig nebeneinander. Hier oben, so nahe dem Himmel, fühlte ich mich losgelöst vom Lärm und Dreck der Straße. Das würde mir fehlen.
»Haben wir ein Hochzeitsgeschenk für Lenia?«
»Ein hübsches Schneckenbesteck«, sagte Helena. Aus irgendeinem Grund fand ich das totkomisch.
»Du hast es doch hoffentlich nicht bei Papa gekauft?«
»Nein, in dem Trödelladen hier in der Straße. Da gibt es jede Menge solide gearbeiteter Scheußlichkeiten – genau richtig, um eine Braut in Verlegenheit zu bringen.«
Daß ich ihr dort beinahe ein Geburtstagsgeschenk gekauft hätte, behielt ich lieber für mich.
Ein paar Minuten später wurde unser kleines Schäferstündchen von Besuchern gestört. Ich trat als erster aus dem Schlafzimmer; Helena folgte mir langsam. Junia und Gaius Baebius starrten uns mißbilligend an, als hätten sie uns in flagranti ertappt. Zu beteuern, wir hätten uns nur unterhalten, war zwecklos. »Was wollt ihr zwei?« Ich sah keinen Grund für einen Begeisterungsausbruch, nur weil meine Schwester sich herabgelassen hatte, die Treppe raufzusteigen.
»Gaius hat dir seinen Priesterschleier gebracht.«
»Ach ja, danke, Gaius.«
Ohne Aufforderung ließen sich Junia und Gaius auf unseren besten Schemeln nieder. Helena und ich quetschten uns auf die Bank, aneinandergekuschelt wie ein Liebespaar, weil wir wußten, wie peinlich ihnen das war.
»Wie ich höre, bist du schwanger!« verkündete Junia mit der ihr eigenen Schroffheit.
»Das stimmt.«
»War es ein
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