Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
Vom Netzwerk:
Fall, daß mein Auftritt als verschleierter Priester nicht genug Aufsehen erregen sollte, hatte ich beschlossen, zu Lenias Hochzeit meinen Palmyra-Anzug zu tragen. Es gab nicht so viele Gelegenheiten in Rom, zu denen ein anständiger Mann in purpur- und goldfarbenen Seidenhosen, einer über und über mit Blumen und Bändern bestickten Tunika, Stoffpantoffeln mit applizierten Tulpen und einem flachen Flechthut erscheinen konnte. Um das Bild zu vervollständigen, hatte Helena für mich sogar ein zeremonielles Schwert in einer Scheide aus Filigranarbeit herausgekramt, eine Rarität, die wir einer Karawane in Arabien abgekauft hatten.
    »Ich wollte einen Auspex«, maulte Lenia. »Nicht König Vologaeses von den verdammten Parthern.«
    »In Palmyra ist so was ganz alltäglich, Lenia.«
    »Aber nicht in Rom!«
    Die Zeremonie begann ein wenig verspätet. Der Bräutigam wurde von seinen schwankenden und grölenden Freunden abgeliefert; entnervt von dem, was auf ihn zukam, hatte er sich so besoffen, daß er nicht mehr stehen konnte. Wie vom Ritual vorgeschrieben, fand ein kurzer, verbaler Austausch zwischen Braut und Bräutigam statt.
    »Du Dreckskerl! Das werde ich dir nie verzeihen.«
    »Was ist los mit dieser Frau?«
    »Du hast mir den ganzen Tag verdorben!«
    Dann zog sich Lenia schluchzend in ein Hinterzimmer zurück, und die Gäste machten sich über die Amphoren her (von denen es viele Ständer voll gab). Während seine und meine Mutter versuchten, Smaractus auszunüchtern, kamen wir anderen allmählich in Stimmung. Passanten und Nachbarn merkten, daß es hier etwas umsonst gab, und strömten in die Wäscherei. Mitglieder der Hochzeitsgesellschaft, die die angebotenen Erfrischungen nicht bezahlen mußten, begrüßten sie mit Freudengeschrei und luden sie ein.
    Als Petronius kam, ging es schon hoch her. Es war später Nachmittag, und wir hatten noch lange Stunden vor uns. Nachdem er und seine Familie sich über mein dramatisches Gewand genügend schlappgelacht hatten, schlug Helena vor, wir sollten alle in eine anständige Kneipe essen gehen, um uns für die lange Nacht zu stärken. Niemand vermißte uns. Als wir zurückkamen, passierte immer noch nicht viel, also sprang Petronius auf einen Tisch und bat um Ruhe.
    »Freunde – Römer …« Aus irgendeinem Grund schien ihm diese Anrede nicht recht zu gefallen, aber er war guter Laune. Zusätzlich zu dem beim Essen genossenen Wein hatte er ein Alabastrum von seinem eigenen mitgebracht. Er und ich hatten ihn bereits probiert. »Die Braut ist anwesend …«
    Was nicht ganz stimmte. Lenia hatte immer noch im Hinterzimmer geschluchzt, kam aber, als sie Getöse vernahm, sofort rausgestürzt, weil sie befürchtete, jemand könne ihre Hochzeit sabotieren.
    »Der Bräutigam«, verkündete Petro, »übt für die Hochzeitsnacht und hat sich kurz hingelegt!« Alle grölten begeistert, denn sie wußten, daß Smaractus inzwischen bewußtlos in einem Wäschekorb lag; er hatte irgendwo noch mehr Wein gefunden und war jetzt vollkommen hinüber. Weitschweifig fuhr Petro fort: »Ich habe jene unter uns befragt, die juristische Kenntnisse besitzen – meinen Freund Marcus Didius, der wiederholt vor Gericht erscheinen mußte, meinen Kollegen Tiberius Fusculus, der einmal einem Prätor und Richter auf die Füße getreten ist …«
    Jemand schrie ungeduldig: »Komm endlich zur Sache!«
    »Wir sind uns einig, daß für die Rechtmäßigkeit der Eheschließung der Bräutigam nicht persönlich anwesend sein muß. Er kann seine Einwilligung durch einen Brief oder einen Boten geben. Laßt uns sehen, ob wir jemanden finden, der Smaractus’ Einwilligung bezeugen kann!«
    Seine Mutter gab sich dazu her. Wütend über seine fortgesetzte Unpäßlichkeit sprang sie auf und rief: »Ich kann es bezeugen! Er ist einverstanden!« Sie war eine grimmige kleine Person, die mir knapp bis an den Ellbogen reichte, rund wie ein Austernfaß, mit einem Gesicht wie ein ausgedrückter Schwamm und blitzenden schwarzen Augen.
    »Was ist mit dir?« fragte Petronius Lenia.
    Angefeuert durch ihren ersten Erfolg, brüllte die Mutter meines Vermieters in höchsten Tönen: »Ich antworte auch für sie! Lenia ist ebenfalls einverstanden!«
    Und das war’s dann mit dem Austausch des Ehegelöbnisses. Petro schwankte, fiel vom Tisch und wurde von fröhlich feiernden Fremden sicher aufgefangen. Die Stimmung schlug hohe Wellen, und es war klar, daß noch mit weiteren Verzögerungen zu rechnen war, bevor ich Ordnung herstellen und

Weitere Kostenlose Bücher