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Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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einem neuen Interessengebiet zugewandt. Jetzt widmete er seine Zeit dem Protest gegen Obszönitäten und der Umerziehung von Prostituierten. Das bedeutete natürlich, daß er sich überwinden und die Bordelle persönlich inspizieren mußte. Einige von uns fanden das ausgesprochen komisch.
    Die Sechste Kohorte wurde aufgelöst und unter anderen Offizieren neu formiert. Ihr Tribun und verschiedene Zenturionen hatten ihren Abschied genommen. Petronius Longus war entzückt, weil Martinus jetzt seine gesamten Anstrengungen darauf konzentrierte, auf einen der vakanten Posten der Sechsten befördert zu werden. Martinus war der Meinung, daß seine Talente für entspannte Ermittlungen und dämonisches Damespiel in den prestigeträchtigen Bezirken des Palatin und Circus Maximus genau richtig wären. Als anständiger Vorgesetzter unterstützte Petronius Martinus’ Bitte um Bestätigung dieser Talente aufs kräftigste.
    Die Vierte Kohorte war für ihr undiszipliniertes Verhalten von Rubella ausdrücklich gerügt worden. Die Männer wurden über Nacht zur Beruhigung und Abkühlung in ihre Wachlokale gesperrt. Was den nützlichen Nebeneffekt hatte, daß Rubella jedes Wachlokal aufsuchen und dort allen die offizielle Version ihres Eindringens in das Gebiet einer anderen Kohorte einbleuen konnte. Zum Glück konnten die meisten Zivilisten die Kohorten sowieso nicht voneinander unterscheiden.
    Zu den Toten gehörte auch Porcius, der jüngste Offizier der Vierten. Der Beerdigungsverein würde ihm ein einfaches Begräbnis ausrichten, obwohl sein Tribun der Familie mitteilen mußte, daß sie leider wegen seiner kurzen Dienstzeit und anderer Faktoren kein Anrecht auf eine Entschädigung habe.
    Die übrigen Ereignisse der Nacht mäßigten das offizielle Mißbehagen über den Vorfall. In dem »Laube der Venus« genannten Bordell war eine erstaunliche Anzahl von Kriminellen verhaftet worden. Es hieß, daß die Vigiles drei Monate brauchen würden, um alles gestohlene Gut seinen rechtmäßigen Besitzern zurückzugeben. Auch waren so viele entlaufene Sklaven eingefangen worden, daß der Präfekt der Vigiles eine eintägige Zusammenkunft ihrer Besitzer einberief (das heißt, jene Besitzer, die bereit waren, einen mißmutigen Sklaven wieder in ihr Haus aufzunehmen, der der schlechten Gesellschaft im »Platons« ausgesetzt gewesen war). Die Macht einer berüchtigten Verbrecherorganisation war gebrochen worden. Unter den verhafteten Kleinkriminellen befand sich jede Art von Zuhältern, Einbrechern und Trickbetrügern; außerdem gab es Beweise für einen von einigen Prostituierten unterhaltenen Entführer- und Erpresserring.
    Den Hauptbeweis für die Erpressungen hatte Helena Justina erbracht. Dabei gab es einen faszinierenden Aspekt, den wir nicht öffentlich machten: Helena hatte ein Geständnis erlangt, daß die Mädchen das Müllbaby gestohlen hatten. Eine der Huren im »Platons« hatte gemerkt, daß der Kleine taub war. Als seine Familie sich weigerte, Lösegeld für ihn zu zahlen, hatte ein ehemaliger Türsteher des Bordells ihn zum Aventin gebracht und dort abgeladen. Von Macra wußten wir, daß dieser Mann all ihre Entführungen erledigte – Castus, der auch den Lykier erstochen hatte, als Lalage und Nonnius ihren Betrug an Balbinus Pius vorbereiteten. Castus arbeitete nicht mehr im Bordell; er war Balbinus’ Spitzel gewesen, und Lalage hatte ihn nach dem Prozeß rausgeworfen. Er wurde festgenommen und wartete nun darauf, ausführlich verhört zu werden.
    Helena Justina wußte inzwischen, aus welcher Familie das Müllbaby stammte. Die letzten auf ihrer Liste hatten schließlich doch mit ihr gesprochen. Sie hatten geleugnet, je ein Baby gehabt zu haben, und schon gar, daß es vermißt wurde, obwohl ein verängstigtes Kindermädchen das ursprünglich gemeldet hatte. Und wer waren diese vergeßlichen Eltern? Niemand anderer als ein gewisser VIP und seine einflußreiche, extrem wohlhabende Frau. Es ging das Gerücht, daß die Frau inzwischen wieder schwanger war. Helena und ich hatten beschlossen, ihnen den Sohn nicht zurückzugeben. Wir sagten ihnen noch nicht mal, daß er bei uns war.
    Die berühmte Besitzerin der »Laube der Venus« war tot aufgefunden worden. Offizielle Stellen waren überzeugt, daß eines der verrufensten Bordelle Roms nun dem Verfall preisgegeben war. (Nicht alle teilten diesen frommen Wunsch.) Der Hausbesitzer hatte auf jeden Fall versprochen, etwas zu unternehmen.
    Ich hatte Florius vor »Platons Akademie«

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