Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
Vom Netzwerk:
gottgleich zu fühlen, ist schon immer ein Charakterzug der Römer gewesen. Doch in Petros Fall schien das eher unwahrscheinlich. Dazu war er viel zu vernünftig und gesetzt.
    »Tertulla sagt, du hättest mit ihm gesprochen«, stichelte ich.
    »Ach, hast du Tertulla gesehen? Um das Würmchen muß sich mal jemand kümmern. Du bist ihr Onkel. Kannst du nicht was unternehmen?«
    »Du bist ihr Großvater! Warum ich?« Mir kam schon wieder die Galle hoch. Meinem Vater, der bereits eine Generation im Stich gelassen hatte, Pflichtgefühl beizubringen, war hoffnungslos. »Oh, Jupiter! Ich rede mal mit Galla darüber … Also, was ist hier los, Papa?«
    »Eine Katastrophe.« Für meinen Vater ging nichts über ein bißchen Elend und Leid.
    »Ja, das sehe ich auch. Kannst du dich vielleicht deutlicher ausdrücken? Hat diese Katastrophe mit einer größeren Niederlage der Legionen in einem prestigeträchtigen ausländischen Krieg zu tun – oder nur mit der zerstörten Lupinenernte in zwei Dörfern in Samnium?«
    »Du bist wirklich ein kalter Fisch! Es geht um folgendes: Eine Diebesbande ist letzte Nacht eingebrochen und hat das halbe Emporium ausgeräumt.« Papa lehnte sich auf seinem Schemel zurück, um zu sehen, wie das bei mir ankam. Ich bemühte mich um einen angemessen entsetzten Gesichtsausdruck, war aber immer noch mit meiner eigenen gelungenen Rhetorik beschäftigt. Er schaute mich finster an. »Hör mir zu, du verschlafener Mistkerl! Die Diebe wußten offenbar ganz genau, was sie wollten – ausschließlich Luxusgüter. Sie müssen wochenlang auf der Lauer gelegen haben, bis sie sicher waren, daß die Beute auserlesen sein würde. Dann sind sie rein wie der Blitz, haben sich das Entsprechende geschnappt, sind wieder raus und verschwunden, bevor irgendwas bemerkt wurde.«
    »Petronius hat also das Gebäude verschlossen, solange er seine Ermittlungen durchführt?«
    »Das nehme ich an. Aber du kennst ihn ja; er hat es nicht gesagt. Hat nur ernst geschaut und alles abgesperrt.«
    »Und was hat er gesagt?«
    »Standbesitzer und Kaimeister würden einer nach dem anderen eingelassen und sollten zusammen mit Martinus …«
    »Noch so ein ganz Taktvoller!« Martinus, sehr von sich eingenommen, reagierte besonders mürrisch, wenn er es mit der Öffentlichkeit zu tun hatte.
    »… eine Liste der fehlenden Gegenstände aufstellen«, beendete Papa seinen Satz beharrlich.
    »Das klingt sinnvoll«, meinte ich. »Die Idioten werden doch wohl kapieren, daß sie bessere Aussichten haben, ihre Sachen wiederzukriegen, wenn Petronius weiß, wonach er suchen muß?«
    »Zu subtil«, erwiderte Papa mit seinem berühmten Strahleblick, der schon Schankmädchen von hier bis zur Porta Flaminia flachgelegt hatte. Ich reagierte nur gereizt darauf.
    »Zu durchdacht!« Petronius hatte mein Mitgefühl. Wahrscheinlich war er aus Ostia zurückgekommen und hatte gehofft, nach seinem Balbinus-Coup nun ein bißchen Ruhe zu haben … nur um in der gleichen Nacht wieder aus dem Bett gezerrt und mit einem der schlimmsten Diebstähle konfrontiert zu werden, an die ich mich erinnern konnte, und das noch dazu in dem wichtigsten Gebäude seines Reviers. Statt sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen und von den Leuten als Held gefeiert zu werden, würde er jetzt monatelang mit Volldampf arbeiten müssen. Und am Ende vermutlich nichts vorzeigen können: Es klang mir sehr danach, als wäre der Diebstahl von langer Hand vorbereitet gewesen.
    Nur eines nagte immer noch an mir. »Mal rein interessehalber, Papa – warum hat Petronius gesagt, du sollest mich holen lassen?«
    Mein Vater setzte seine verläßliche Miene auf – immer ein schlechtes Zeichen. »Ach … er meinte, du könntest mir helfen, mein Glas zurückzubekommen.«
     
    Das ließ er so feinfühlig einfließen, wie ein Fischhändler eine Meeräsche filettiert.
    »Die haben dein Glas gestohlen?« Ich konnte es nicht glauben. »Das Glas, das Helena für dich gekauft hat? Das ich auf dem Rückweg von Syrien die ganze Zeit mit Argusaugen bewacht habe?« Ich flippte aus. »Papa, als ich es bei dir ablieferte, hast du gesagt, du würdest die ganze Ladung sofort zu den Saepta bringen!« In den Saepta Julia, oben beim Marsfeld, wo die Juweliere und Antiquitätenhändler untergebracht waren, hatte auch Papa sein Büro und sein Lager. Die Saepta waren sehr gut bewacht.
    »Hör auf, rumzubrüllen.«
    »Ich denk nicht dran! Wie konntest du nur so verdammt unvorsichtig sein?«
    Ich wußte genau, warum. Mit einem Karren

Weitere Kostenlose Bücher