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Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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aber noch genug für die Verbrechensbekämpfung bei Tag übrig. Offenbar hatte Petronius sie alle hier eingesetzt. Die Kette hielt, aber ich war froh, nicht mitmachen zu müssen. Eine riesige, wütende Menge drängte dagegen, verfluchte die Wachen und forderte Petros Kopf. Gelegentlich preschte eine Gruppe vor, und die Wachen mußten sich unterhaken, um sie abzuwehren. Am hinteren Ende des Gebäudes sah ich Porcius von einem Wagen herunter Schilde verteilen.
    Petro war nirgends zu sehen. Eine kluge Entscheidung.
    Mit gewissem Bangen schob ich mich bis nach vorn durch. »Große Götter, was ist denn hier los? Soll ich etwa glauben, daß Petronius Longus, berühmt für seine Umsicht, plötzlich beschlossen hat, in die Geschichte einzugehen als ›der Mann, der den Handel stoppte‹«?
    »Hau ab, Falco!« murmelte Fusculus, der versucht hatte, mit vier oder fünf Geschäftsleuten und einigen Arbeitern zu argumentieren, viele davon Fremde und alle aufs äußerste erregt.
    »Petro hat nach mir geschickt.« Es war einen Versuch wert.
    »Petro ist nicht hier, verdammt noch mal!« zischte Fusculus bitter durch zusammengebissene Zähne, während er einen wütenden gallischen Weinhändler zurückschob, indem er einfach das Bein hob und den Fuß nachdrücklich auf die Gürtelschnalle des Mannes setzte. Die Vierte Kohorte war ein wenig weltgewandter als die anderen, aber niemand legte sich zweimal mit ihr an. »Petro sitzt in der Scheiße. Ein Prätorianer hat ihn zum Palast geschleppt, damit er das Durcheinander hier erklärt.«
    »Dann kann ich ja wieder ins Bett gehen!«
    »Tu das, Falco …«
    Die Vigiles hatten alle Hände voll zu tun. Bei so vielen Leuten, die noch dazu so gereizt waren, wollte ich ihnen nur ungern helfen. Zum Glück ließen sie sich auch nicht dazu herab, mich zu bitten. Außerdem bot sich mir in diesem Moment ein Ausweg; ein nicht zu verkennendes Nebelhorn brüllte meinen Namen, und ich wurde beim Umdrehen von meinem Papa begrüßt. Er schloß mich zärtlich in die Arme. Das war keineswegs eine normale Begrüßung, sondern nur Schau wegen der vielen Fremden um uns herum. Verärgert riß ich mich los.
    »Marcus! Laß uns aus diesem Gebrodel verschwinden – wir haben was zu besprechen!«
    Ich hatte nichts mit meinem Vater zu besprechen. Und wie üblich wurde mir bei seiner Ankündigung sofort mulmig.
    Er zerrte mich in eine mehr oder weniger ruhige Ecke hinter den alten Kornspeichern des Galba. Und natürlich handelte es sich bei dieser ruhigen Ecke um eine Schenke. Nach dem anstrengenden Gedrängel auf der Straße hatte ich nichts dagegen einzuwenden, hätte es allerdings vorgezogen, wenn er, da er mich ja herzitiert hatte, auch die Zeche übernommen hätte. Doch irgendwie landete die Kachel mit den Kreidestrichen vor meiner Nase.
    »Oh, vielen Dank, Marcus. Auf deine Gesundheit!«
    Mein Vater war ein stämmiger Mann um die sechzig mit ergrauenden unordentlichen Locken und einem angeblich liebenswerten Zwinkern in seinen unzuverlässigen dunkelbraunen Augen. Er war unter dem Namen Geminus bekannt, obwohl er eigentlich Favonius hieß. Die Namensänderung hatte keinen Grund, und das war typisch. Nicht allzu groß, hatte er immer noch eine gebieterische Persönlichkeit; Leute, die mich ärgern wollten, behaupteten, wir sähen uns ähnlich. In Wahrheit war er schwerer und verschlagener. Um seinen Bauch schlang sich ein Geldgürtel von unübersehbarem Gewicht. Seine dunkelblaue Tunika war jetzt verschlissen genug zum Möbelschleppen in seinem Lagerhaus, aber die Bork, in der immer noch Silberfäden glitzerten, sprach für den Stil, den er sich bei gesellschaftlichen Anlässen leisten konnte. Frauen mochten sein Grinsen. Er mochte das meiste an Frauen. Als ich noch Kind war, hatte er sich mit einer Rothaarigen aus dem Staub gemacht, danach hatten er und ich kaum je noch ein gesittetes Wort miteinander gewechselt.
    »Dein verrückter Kumpel hat einen hübschen Schlamassel angerichtet!« Meine Freunde zu kritisieren, hielt er nach wie vor für seine väterliche Pflicht.
    »Er wird seine Gründe gehabt haben«, erwiderte ich kühl. Ich überlegte, welche um alles in der Welt das wohl gewesen sein mochten. »Das kann einfach keine Strafe dafür sein, daß einer der Standbesitzer seine Miete nicht gezahlt hat.«
    Ich muß zugeben: Mir war der Gedanke gekommen, daß Petro vielleicht vor Stolz über die Festnahme von Balbinus zum machtgierigen Irren geworden sein könnte. Beim ersten Anzeichen von Erfolg sich

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