Gnadenfrist
bewußt.«
»Ich kenne ihn gut.«
»Und?«
Allein der Gedanke daran, daß Petro verdächtigt wurde, ging mir gegen den Strich. »Völlig ausgeschlossen.« Titus wartete auf nähere Erklärungen. »Der Mann, den ich kenne, mein Freund Lucius Petronius, hat einen untadeligen Charakter. Sie haben ihn gestern auf der Sitzung kennengelernt; Sie müssen sich ein Bild von ihm gemacht haben. Er ist der Mann, der Rom gerade von einem Schwerverbrecher befreit hat. Ohne ihn wäre Balbinus Pius nie vor Gericht gebracht worden.«
»Stimmt. Wenn das nicht wäre«, sagte Titus, »stände er genauso unter Verdacht wie die anderen, und Sie um Hilfe zu bitten, wäre undenkbar. Wir gehen davon aus, daß Rubella sich um Petronius Longus keine Sorgen zu machen braucht. Doch Petronius darf von den Ermittlungen nichts erfahren, bis er eindeutig entlastet ist, und vielleicht auch dann nicht.«
»Das stinkt«, sagte ich. »Sie wollen, daß ich die Vierte ausspioniere …«
»Nicht nur sie«, unterbrach mich Titus. »Ihr besonderer Auftrag schließt alle relevanten Bezirke der Stadt mit ein. Was Rubella von seiner eigenen Kohorte berichtet hat, könnte auch auf andere zutreffen – sein Problem ist möglicherweise noch nicht mal das größte. Ich möchte, daß Sie sich jede Kohorte, mit der Sie in Kontakt kommen, genauer ansehen.«
Das klang schon besser. Petro hatte mir bereits das Gefühl vermittelt, daß einige der anderen nicht so wählerisch waren in ihren Gewohnheiten wie seine eigene Mannschaft. Aber wenn ich ihm nicht sagen durfte, woran ich arbeitete, würde es schwierig sein, ihm diese Art von Information zu entlocken. Wenn ich heimlich ermittelte und er es später erfuhr, würde er stinksauer sein. Zu Recht.
»Das könnte meine wertvollste Freundschaft zerstören, Hoheit.«
»Sollte das der Fall sein, entschuldige ich mich schon jetzt. Aber ich vertraue darauf, daß Sie damit fertig werden.« Oh, tausend Dank! »Sie wurden als für diese Sache besonders befähigt ausgewählt. Wir haben sogar ungeduldig auf Ihre Rückkehr aus dem Orient gewartet.«
Ich rang mir ein Grinsen ab. »So haben Sie also rausgefunden, wo ich war!« Hübscher Gedanke: Die Großen wollten mich für etwas anderes – und Anacrites mußte sich dafür rechtfertigen, daß er mich aller Wahrscheinlichkeit nach hatte beseitigen lassen. Wie glücklich mußten sie alle gewesen sein, als ich wieder italienischen Boden betreten hatte. »Die Vierte Kohorte vertraut mir. Wegen meiner Freundschaft mit ihrem Hauptmann.«
»Eben«, beharrte Titus. »Damit haben Sie eine wesentlich bessere Tarnung als jeder andere eingesetzte Spezialagent, der unweigerlich sofort als Rubellas Mann enttarnt werden würde.«
»Sehr günstig!« Das leuchtete mir ein; es machte die Sache nur noch schlimmer. »Und ist diese von Rubella vermutete Korruption eine generelle Angelegenheit, oder hängt sie mit dem Überfall auf das Emporium zusammen?«
»Rubella meint, das könnte sein. Der Raub geschah verdächtig schnell, nachdem der Verbrecher Balbinus die Stadt verlassen hatte.«
»Jupiter! Wenn er recht hätte, wäre das ein Desaster.«
»Rubella ist ein guter Offizier. Sie werden extrem vorsichtig vorgehen müssen, Falco.«
»Trauen Sie Marcus Rubella?« schoß ich plötzlich dazwischen.
»Rubella ist eine bekannte Größe.« Er nahm mein Mißtrauen nachsichtig hin. »Wir trauen ihm ebenso, wie wir Ihnen trauen, Falco.«
Falls das ein Witz sein sollte, dann war es ein schlechter.
»Wenn Sie annehmen …«, setzte Titus an, aber ich war so wütend über den Auftrag, daß ich ihn unterbrach.
»Machen Sie keine Versprechungen«, zischte ich und dachte daran, wie sein Bruder Domitian mich abgekanzelt hatte, als ich eine verdiente Belohnung wollte. »Das kenne ich schon. Ich übernehme den Auftrag. Und ich führe ihn so gut aus, wie ich kann.« Besser ich als irgendein dämlicher Idiot vom Geheimdienst. »Was immer Sie von Ermittlern halten mögen, eine Belohnung wäre ein Zeichen des Respekts für meine Zuverlässigkeit, die Sie angeblich so schätzen. Vielleicht denken Sie eines Tages daran, aber auf jeden Fall muß ich Sie um eines bitten, Cäsar: Sollte ich wegen dieses widerwärtigen Auftrages mit einem Messer im Rücken in einer dunklen Gasse enden, hoffe ich, daß Sie wenigstens an meine Familie denken.«
Titus Cäsar neigte zustimmend den Kopf. Er war als Romantiker bekannt und mußte verstanden haben, welches Mitglied meiner Familie ich meinte. Da er tatsächlich ein
Weitere Kostenlose Bücher