Gnadenlos: Auf der Flucht (German Edition)
Hälfte eines Eiweißriegels, in mundgerechte Stücke gebrochen, dahin, wo er sie sehen würde, wenn er die Augen öffnete. Sie legte noch die lange Machete dazu. Sie wusste nicht, wie man das verdammte Ding benutzte, und sie war viel zu schwer für sie, selbst wenn sie versuchte, mit beiden Händen auf die Äste einzuschlagen.
Die Uzi gesellte sich zur Machete. Auch wenn sie wusste, wie man sie benutzte, sie wollte nicht das bisschen Kraft, das sie noch hatte, verschwenden, um sie zu schleppen.
Nachdem sie die Blätter erneuert hatte, mit denen sie vor Tagen das Zelt vor menschlichen Augen geschützt hatte, blieb Acadia noch einmal stehen und blickte auf das Lager. Sie wollte ihn nicht zurücklassen. Allein die Vorstellung jagte ihr mehr Angst ein als alles, was sie bisher erlebt hatte, aber sie konnte ihm nicht helfen, wenn sie hierblieb. Sie half sich selbst nicht, indem sie hierblieb.
Sie wünschte bei Gott, und das nicht zum ersten Mal, sie wäre von einem anderen Schlag Mensch. Ja, sie war organisiert und ganz bestimmt erfindungsreich, aber sie wünschte, sie wäre tapferer und wagemutiger. Das Wagemutigste, abgesehen von dieser Reise, das sie je geplant hatte, waren ihre Pläne, aus Junction City wegzuziehen, um mit dreißig Jahren am College anzufangen. Bisher war das Furchteinflößendste, das sie sich für ihre Zukunft vorgestellt hatte, neben einem Haufen Zwanzigjähriger zu sitzen.
Junge, hatte sie falschgelegen.
Jennifer Stark hätte diese Prüfung sicher mit links gemeistert und nebenbei noch Brownies gebacken. Zu blöd, dass sie nicht Jennifer Stark war. Aber so jämmerlich sie auch als Ersatz war, jemand anderen als Acadia Gray gab es hier weit und breit nicht.
Sie kroch wieder in das Zelt, um das Unvermeidliche hinauszuzögern. Die Klappen waren geöffnet, aber nicht ein Luftzug kam durch das feine Netz, und Zaks nackter Körper glänzte vor Schweiß.
»Ich gehe Hilfe holen«, sagte sie zu ihm und holte ein paar Feuchttücher heraus, um damit über seinen Körper zu fahren und ihn abzukühlen. »Du hast Wasser, Essen und die Machete gleich hier, okay?« Um die Wunde herum war es rot und fühlte sich heiß an. Röter und heißer als gestern? »Ich bin nicht lange weg. Verbände. Alkohol ist nicht mehr viel da, also schmeiß keine Party, während ich weg bin. Ich nehme deine Uhr mit, damit ich das Navi benutzen kann … also geh nicht ohne mich spazieren.«
Acadia beugte sich hinab, um ihm einen langen Kuss auf den Mund zu geben, fuhr mit den Fingern durch seine nassen, dunklen Haarsträhnen, die ihm an den Wangen klebten, und über seinen starken, braunen Hals.
Er musste wieder gesund werden. Dafür würde sie sorgen.
Sie küsste ihn noch mal. Diesmal schneller, als trinke sie aus jenem Brunnen der Kraft, den er in sich zu tragen schien. Sie nahm die Kette mit ihrem Christophorus-Medaillon ab, hielt die Münze einen Moment in ihrer Hand und kniff die Augen zu. Bitte , dachte sie und wusste dann nicht weiter. Vorsichtig legte sie Zak die lange Kette um den Hals.
»Das wird dich beschützen.« Ihre Finger zitterten ein wenig, als sie die Kette gerade zog, und sie glänzte im dunklen Haar auf seiner Brust. »Ich bin wieder da, ehe du es überhaupt merkst.«
Die Alternative war nicht auszudenken.
9
Es stellte sich heraus, dass Acadia das Zelt ungefähr einen Kilometer von einer Siedlung entfernt aufgestellt hatte. Unglücklicherweise dauerte es den Großteil eines schrecklichen Tages, bis sie über das kleine Yanomami-Dorf stolperte, und das auch nur durch Zufall, nicht mit Absicht. Niemand sprach Englisch, und ihre paar Brocken Spanisch reichten nicht mal für ein einfaches Gespräch aus.
Dennoch schaffte sie es durch Gesten und ihre sehr real drohende Hyperventilation, den Eingeborenen eine gewisse Dringlichkeit zu vermitteln, und brachte vier Männer dazu, ihr dorthin zu folgen, wo sie Zak zurückgelassen hatte.
Der Rückweg dauerte nur eine Stunde, da die vier Männer sich nicht durch die Wildnis, Unentschlossenheit, Hunger oder Durst aufhalten ließen.
Okay, die Männer tauschten ein paar Bemerkungen aus, die vermutlich nicht gerade Komplimente waren, als klar wurde, dass sie mindestens zweimal im Kreis gegangen war, aber sie wussten anhand ihrer vagen Beschreibung einen direkten Weg zu finden, und das war alles, was zählte.
Sie war so verdammt froh, das Zelt zu sehen – zu wissen, dass sie es zurück geschafft hatte –, dass sie geweint hätte, hätte sie noch einen Rest
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