Gnadenlos: Auf der Flucht (German Edition)
entzündet war. Die Frage war, ob diese Frau das behandeln konnte? Und falls nicht, wer dann? »Werde Kugel rausholen«, informierte die Nonna Acadia, während sie zu einem altmodischen Summer an der Wand ging und mehrmals mit einem stumpfen Nagel daraufklopfte. »Kommen Sie morgen wieder.«
» Morgen? Nein. Ich lasse ihn … meinen Mannnicht allein«, erklärte sie, nur für den Fall, dass irgendein Zweifel bestand. »Sind Sie Ärztin?« Sie nahm sich einen Moment Zeit, um es im Kopf zu übersetzen, und sagte dann hölzern: »Ah – ¿Es usted médico? ¿Mi esposo necesita una cirugía?«
Die Frau warf ihr einen strengen Blick zu. »Yo soy mejor que un médico .«
Sie fuhr zusammen. »Ich will ja nicht unhöflich sein, und ich bin sicher, dass Sie besser sind als ein Arzt, aber ich glaube, in diesem Fall brauchen wir einen richtigen Arzt.«
Es folgte ein Schlagabtausch, den Acadia nicht gewinnen konnte. Sie entnahm den Brocken, die sie aus den auf sie einprasselnden Erwiderungen herauspicken konnte, dass Schwester Clemencia die Verantwortung für die Missionsklinik trug, während Vater Vicente Araujo sich in Caracas aufhielt. Und da der Vater erst in einer Woche zurückkehren würde, musste die Schwester die Kugel selbst aus Zak herausholen, ob es Acadia gefiel oder nicht.
Clemencia hatte keine Zeit für aufgescheuchte Ehefrauen und schlug vor – befahl –, dass Acadia gehen, etwas essen, sich ausruhen und morgen wiederkommen sollte.
Acadia ging aus dem Weg.
Zwei Männer erschienen und kümmerten sich um den Patienten, während sie hilflos an der Wand stand. So unsicher sie auch war, ob sie Zak in den Händen dieser merkwürdigen Nonne lassen konnte, Zak sah beängstigend aus. Und sie hatte keine andere Möglichkeit.
Die Nonne nahm Zak das Medaillon des heiligen Christophorus ab und reichte es Acadia, während die Männer Zak auszogen, ihn mit einem alten, aber sauber aussehenden Laken zudeckten und ihn dann rasch hinausfuhren. Schwester Clemencia folgte ihnen durch den Flur, gab ihnen dabei Anweisungen und ließ Acadia allein im Raum zurück.
Sie starrte mit leerem Blick auf die abgeplatzten, fleckigen, altersvergilbten Wände und die rostigen Metallbettgestelle. Der Austausch mit Schwester Clemencia war so rasant, so voller Sprachbarrieren und so verdammt einseitig gewesen, dass Acadia sich nicht sicher war, ob die Nonne überhaupt qualifiziert genug war, um eine Operation durchzuführen. Acadia wollte verdammt sein, wenn sie es war, und war verdammt, wenn sie es nicht war. Sie wusste nicht, ob Zak im Zelt schlechter dran gewesen wäre oder am Ende des Flurs, hilflos der Schwester ausgeliefert. Sie blickte zu den Holzkreuzen an den Wänden empor und fragte sich, ob beten helfen würde.
Vielleicht, aber sie bezweifelte es. Sie schüttelte den Kopf und sagte sich, dass sie einfach dankbar sein sollte, dass sie nicht mehr im Dschungel umherirrte und nach irgendetwas suchte, das auch nur annähernd nach Hilfe aussah. Sie schlenderte zum Fenster, um hinauszusehen, während sie wartete. Es gab nur eine Hauptstraße, die zwischen den Gebäuden entlangführte, die aussahen, als ständen sie schon hundert Jahre dort. Ein Dutzend der Gebäude war nur noch einigermaßen intakt.
Die Klinik war das größte Gebäude im Ort. Auf der anderen Seite der schmalen Straße saßen drei Männer auf Stühlen mit geraden Lehnen vor etwas, das aussah wie eine Bar, und dösten in der frühabendlichen Sonne. Ein Huhn und ein räudiger schwarzer Hund liefen ohne weitere Beachtung vor ihren Füßen umher.
Sie wollte Zak hier nicht schutzlos zurücklassen. Aber Schwester Clemencia hatte nur allzu deutlich gemacht, dass sie Acadia nicht mal in die Nähe von Zak lassen würde, bis sie die Kugel rausgeholt hatte, und so lange konnte Acadia nicht einfach nur herumstehen.
Sie würden ein Transportmittel nach Caracas brauchen. Sie würden Geld brauchen. Sie brauchte ein Telefon. Essen stand ganz oben auf der Liste. Sie ging nach draußen in die feuchte Luft und das weiße Sonnenlicht und sah sich auf der Straße um.
Der Duft nach gebratenen Zwiebeln war jetzt stärker, und Acadia konnte das Steak unter einem Riesenhaufen goldbraun gebratener Zwiebeln förmlich schmecken. Eine große gebackene Kartoffel. Mit reichlich Butter und Sour Cream. Ein großes Glas eiskalte Cola light.
Sie seufzte, und ihr Magen krampfte sich unangenehm zusammen. Wie hatte Staff Sergeant Dad immer gesagt? Es ist gut, etwas zu wollen.
Und, Gott, plötzlich
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