Gnadenlos: Auf der Flucht (German Edition)
prangte. Ein ausgewaschenes, schwarzes, kurzärmeliges Hemd spannte sich über seinem dicken Bauch und gab den Blick frei auf dichtes schwarzes Brusthaar und ein bauchfreies »Lächeln« zwischen Hemd und Hose.
Acadia hielt die Augen auf sein Gesicht gerichtet. Kleine, eng stehende, dunkle Augen. Dicke Wangen und ein schwarzer Fünfuhrschatten. Bei Gott, er sah aus wie der personifizierte korrupte Bulle, den sie so schon in zahlreichen Filmen gesehen hatte. Er hatte einen starken Akzent, als er stolz verkündete: »Ich bin Polizeichef José Fejos.«
Natürlich war er das. »Chief, mein Name ist Acadia Stark. Mein Mann befindet sich im Moment in der Mission und kämpft um sein Leben. Er wurde von Entführern angeschossen …«
Er beugte sich vor, wobei unten an seinem Hemd zwei Knöpfe absprangen. »Sind Sie Amerikaner ?«
»Ja, wir …«
»Haben Sie die Bengalischen Tiger gesehen?«
Sie runzelte die Stirn. Wieso kam er jetzt auf dieses Thema? »Gibt es hier Tiger?« Nicht, dass sie je davon gehört hätte.
»Cincinnati.«
»Cincin… oh!« Jetzt fiel der Groschen. »Das Footballteam Cincinnati Bengals . Nein, das habe ich nie gesehen.«
»Ah. Wer hat Ihren Mann angeschossen?« Jetzt klang er enttäuscht und alles andere als an ihrem Mann interessiert.
Sie atmete tief durch. »Wir wurden aus unserem Hotelzimmer entführt von einer Frau namens Loida Piñero. Haben Sie schon mal von ihr gehört?«
»Nein.« Er wandte sich wieder dem Spiel zu und nahm seine Karten auf. »Haben Sie Papiere, dass Sie sich in meinem Land aufhalten dürfen?« Er sah sie nicht an, als er ihr die Frage stellte, sondern griff stattdessen nach einer nicht angezündeten Zigarre mit durchweichter Spitze, die in einem überquellenden Aschenbecher neben ihm lag.
Der Hund lehnte sich mit seinem dünnen Körper an ihr Bein, als borge er ihr seinen zittrigen Mut, und sie streichelte ihm den Kopf. »Nein«, sagte sie zu dem Arschloch von Polizeichef. »Ich habe Ihnen doch gesagt, dass wir entführt wurden. Nur mit unseren Kleidern am Leib …«
Der Polizeichef nahm ein rosafarbenes Feuerzeug, das neben dem Aschenbecher lag, und fuhr ein paarmal mit der Flamme über die Zigarre, bis das Ende rot glühte, dann paffte er ein paarmal, um sie in Gang zu bringen.
Der strenge Geruch stieg ihr in die Nase. Meine Güte, rauchte der Kuhdung? Ekelhaft. Der Gestank überdeckte den leckeren Duft nach Zwiebeln, ganz zu schweigen von ihrem Wunsch nach Essen.
Er wandte ihr seine Bengals-Mütze zu und stieß eine stinkende Wolke aus. » Por la ley – laut Gesetz – müssen Sie Ihren Pass und tarjeta de ingreso – Ihre Einreiseerlaubnis – jederzeit bei sich führen.«
»Si«, pflichtete ihm der Typ neben ihm bei. Er war kahl wie eine Billardkugel, ihm fehlten beide oberen Eckzähne, er trug einen mit Farbe bekleckerten Blaumann und ein Tattoo, das eine Schlange mit offenem Maul darstellte, die seinen dünnen Hals hinaufkroch. Reizender Typ.
» Por la ley« , sagte Acadia knapp und blickte dem fetten Polizeichef ins Gesicht, »sollten Amerikaner nicht am frühen Morgen entführt und gegen Lösegeld festgehalten werden. Es ist ziemlich besch… äh, schlecht für uns gelaufen. Nein, ich habe keine Papiere. Aber ich würde gerne die Entführung anzeigen, und dann brauche ich Ihre Hilfe, um zurück nach Caracas zu kommen, sobald es meinem Mann wieder so gut geht, dass er reisen kann. Bis dahin würde ich gern ein Telefon benutzen, um …«
»Haben Sie amerikanische Dollars zum Bezahlen?« Er gab dem Mann zu seiner Linken mit seinen Karten ein Zeichen, sein Blatt zu spielen.
»Um was genau zu bezahlen? Eine neue Einreisegenehmigung?«
Der große, dünne Mann zu Fejos Linken sah aus, als wäre er hundert Jahre alt. Sein schulterlanges weißes Haar war so fein wie der Flaum einer Pusteblume, und sein tief zerfurchtes Gesicht war von der tropischen Sonne dunkelbraun gebrannt. Sichtlich unberührt von der Unterhaltung warf er ein paar Münzen auf den Tisch und starrte weiter in seine Karten.
»Wie wollen Sie denn für Schwester Clemencias« – der Polizeichef warf dem Typ gegenüber einen forschenden Blick zu – »Gastfreundschaft bezahlen?«
Genauso wie bei den Guerillas, die sie geglaubt hatte, hinter sich gelassen zu haben, hätte Acadia keinem von diesen Männern in einer dunklen Gasse begegnen wollen. Insbesondere dem Typen, der José Fejos gegenübersaß, wollte sie nicht mal am helllichten Tag begegnen.
Wenn es nach ihr ginge, würde sie ihm
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