Gnadenlos: Auf der Flucht (German Edition)
beunruhigt. Sonst hätte er sich nie in all die Extremsportarten stürzen können, die er so genoss. Aber jetzt, wo er beinahe gestorben war , erschütterte ihn allein der Gedanke, Gideon oder Acadia nie wiederzusehen, bis ins Mark.
Der Drang, bei Acadia zu sein, sie in den Armen zu halten, wurde stärker, und er zupfte an dem mickrigen Vorhang, um hinaus auf die Straße zu blicken. Er ließ den Vorhang wieder fallen. Er konnte ihr nicht nachlaufen, als hätte er ein Recht auf ihre Gesellschaft. Scheiße, er hatte schon mehr von ihr verlangt, als er je zurückzahlen konnte. Wenn das erst vorbei war, und das war es beinahe, würden sie wieder getrennte Wege gehen. Der Gedanke hätte ihn zufriedenstellen sollen. Aber das tat er nicht.
Er wandte sich wieder an Schwester Clemencia, die dabei war, die ohnehin schon wie aus dem Ei gepellten Laken auf seinem Bett glattzustreichen. »Danke, Schwester. Ich weiß zu schätzen, was Sie alles für mich getan haben. Für uns.«
Und er würde dafür sorgen, dass sie und die Mission für ihre Mühen reichlich belohnt würden. Zum Teufel, er würde ihr ein komplett neues Krankenhaus bauen, wenn sie wollte.
Die Schatten im Zimmer wurden länger, und die geschäftig zupackende Nonne knipste mehrere Lampen an, was an der dämmerigen Beleuchtung nicht großartig etwas änderte. Schließlich, als es nichts mehr aufzuräumen gab, nahm sie eine der abgedeckten Mahlzeiten vom Tablett, als wäre es das letzte Abendmahl. »Das hier nehme ich wieder mit in die Küche. Wenn Ihre Frau Hunger hat, soll sie zu mir kommen.«
»Ich bin sicher, sie wird …« Einen Moment wurde ihm schwarz vor Augen, und er ließ sich unsanft auf die Bettkante fallen, als vor ihm ein Streifen mit einem Durcheinander von Linien auftauchte. Er schloss die Augen, presste sich die Daumen auf die Lider und wartete darauf, dass sein Sichtfeld wieder klar wurde. Was nicht geschah. Die Linien formten sich zu Buchstaben … nein, nicht das Alphabet. Es waren Zahlen. Eine Folge von Zahlen zog vor seinen Augen vorbei wie der Kriechtitel am unteren Rand einer Nachrichtensendung im schnellen Vorlauf. Er blinzelte mehrmals.
Immer noch da. Halluzinationen?
»Señor Stark?«
Zak hob den Kopf, rieb sich die Schläfe, als seine Sicht sich wieder normalisierte. »Alles in Ordnung.« Mit seiner Sicht war alles in bester Ordnung. Wenn da nicht diese Zahlen gewesen wären, die die unteren zehn Prozent von allem verdeckten, was er anschaute. Wenn er schon halluzinieren musste, fielen ihm eine Million andere Dinge ein, die er lieber sehen würde als die immer gleichen Zahlen, die sich in einer Endlosschleife durch sein Sichtfeld bewegten.
Es war nicht alles in Ordnung mit ihm, aber er war auch nicht tot. Wenn sein Hirn defekt blieb, würde er einen Spezialisten aufsuchen, sobald er zu Hause war. Aber erst würde er dem Plan folgen.
Nach Caracas fahren und sich mit Gideon treffen.
Denjenigen finden, der ihre Entführung angezettelt hatte, und ihn dafür bezahlen lassen.
11
Acadia blinzelte in die letzten tropischen Sonnenstrahlen, die blendend von den hellen Hauswänden reflektiert wurden. Die Straße war menschenleer, bis auf das Huhn, das auf der verbliebenen Sprosse eines leeren Schaukelstuhls hockte. Dogburt hatte sie zurückgelassen, um den schlafenden Zak zu bewachen.
Ihr Herzschlag erhöhte sich angenehm, als sie die Tür zur Cantina aufriss. Sobald die Tür hinter ihr zuschwang, war der Raum in verschiedene Facetten von Dunkelheit getaucht. Sie bezweifelte, dass die Atmosphäre oder die sich darauf auswirkende Dekoration beabsichtigt war. Der nutzlose Ventilator an der Decke vollführte seine ungleichmäßigen Drehungen. Flapp-flapp-wamm. Flapp-flapp-wamm.
Es stank nach Schnaps und billigen Zigarren, amerikanischen Zigaretten und Körpergeruch. Und über allem lag der durchdringende Gestank nach angebranntem Fleisch. Sie fand die Männer hinten im Raum an dem Tisch, der vermutlich ihr Stammplatz war. Acadia rieb sich im Geiste voll diebischer Freude die Hände. Ich werde Ihnen in den Arsch treten, Herr Polizeichef.
Der Barkeeper, ein großer Mann mit langem, fettigem Haar und einem schmutzigen, lindgrünen T-Shirt, das seinen gewaltigen Bauch hinaufkroch, sah sie von hinter der Ausdehnung aus Sperrholz, das die Theke darstellen sollte, verdutzt an, bevor er hinter dem dünnen Vorhang eines Durchgangs verschwand und sie mit den vieren am Pokertisch allein ließ.
Keiner von ihnen blickte auf. Oh, ihr wisst genau, dass
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