Gnadenlos (Sara Cooper)
eine freie Schlafkabine zu bekommen. Völlig durchgeschwitzt ließ sie sich auf ihren Platz fallen. Draußen war es mittlerweile dunkel. Die Sitze waren so ausgestattet, dass man sie abends zu Liegen umklappen konnte, und mit einem Vorhang abtrennte. Sie ließ ihren Blick durch den Zug schweifen und sah viele junge Backpacker, die mit ihren „ Lonely Planets“ Thailand erkundeten. Die Sitze nebenan gehörten einer europäischen Großfamilie. Die Kinder malten leise vor sich hin, die Mutter hatte die Augen geschlossen und der Vater studierte die Reiseroute. Hinter ihr hatte ein älterer Herr Platz genommen, dem der ganze Trubel offensichtlich zu viel war. Seine widerspenstigen grauen Haarbüschel standen ihm vom Kopf ab wie kleine Hörner. Er steckte sich Oropax in die Ohren und legte sich auf die Seite.
Sara bezog ihr Bett mit einem frischen Laken und stellte ihren Rucksack ans Fußende. Als sie in der Kabine alles sortiert hatte, zog sie den spärlichen Vorhang zu und legte die Füße hoch. Das Bett war zu ihrem Erstaunen sehr bequem und ihre Kopfschmerzen hatten zum Glück nachgelassen. Mia und Claire waren sicher auch mit einem solchen Zug gereist. Es wurde still im Abteil, die Dunkelheit hüllte Sara ein und obwohl sie hundemüde war, bekam sie kein Auge zu. Also knipste sie ihre Taschenlampe an, die sie immer dabei hatte. Sie schaute sich noch mal alle Unterlagen an, ging akribisch alle Aussagen durch und versuchte die letzten Tage der Mädchen vor ihrem Verschwinden zu rekapitulieren. Schließlich fielen ihr die Augen zu und sie machte das Licht wieder aus. Während draußen die dunkle Landschaft vorbeizog, schlief sie beim Rattern des Zuges auf den Gleisen ein. Es war mittlerweile tiefe Nacht in Thailand. An Matt und Noah hatte sie nicht gedacht.
Kapitel 14
Point Loma, San Diego
Matt saß mit seinem Sohn beim Frühstück. Zu dem üblichen Menü, Müsli und Toasties, hatte er ausnahmsweise Fischstäbchen serviert. Noah liebte sie und Matt war nicht gerade ein Meisterkoch. So waren beide zufrieden. „Coop! Ab auf deinen Platz.“ Matts Stimme klang ernst und der Hund begriff sofort, dass am Tisch nichts zu holen war. Er verkrümelte sich in seine Hütte, die an der Terrassentür stand. „Coop braucht ein neues Zuhause“, stellte Noah anklagend fest, als das Hinterteil des Hundes aus der Hütte ragte.
„Ich bitte dich, Champ. Coop schläft seit Jahren in der Hütte, er liebt sie“, besänftigte Matt seinen Sohn. Er musste immer noch schmunzeln, wenn er den Kleinen mit seiner neuen Frisur musterte. Blonde Strähnen! Kelly, Saras beste Freundin, hatte es fertig gebracht und ihm blonde Strähnen ins Haar gemacht. Noah nickte nur kurz und sprang auf. „Darf ich zu Billy rüber? Wir müssen zur Schule.“
„Erst, wenn du aufgegessen hast“, erwiderte sein Vater und zeigte energisch auf den halbvollen Teller. Noah verdrehte die Augen und setzte sich wieder. „Wann kommt Mummy wieder? Warum ist sie wieder weggegangen?“, fragte er schließlich traurig.
„Kleiner, Mum sucht Mia, deine Cousine. Aber sie ist bald wieder zurück.“
„Das sagst du immer“, erwiderte Noah enttäuscht, als es an der Tür klingelte. Matt blickte zum Flur. „Wer mag das denn sein?“ Coop drehte sich in seiner Hütte um, so dass nun sein Köpfchen herausguckte, und machte einmal „Wuff“, dann atmete er schwer ein und rührte sich nicht mehr. „Ein toller Wachhund bist du“, sagte Matt kopfschüttelnd. Noah war aufgesprungen und schon auf dem Weg zur Tür, als Matt seinem Sohn hinterher eilte. „Du sollst nicht einfach die Tür aufmachen“, konnte er ihm gerade noch nachrufen, bevor der Besuch im Flur stand.
Matt blickte geradewegs auf ein T-Shirt mit der Aufschrift ‚ Little Miss Sunshine’ “. Als er seine Augen ein Stück hob, sah er das genaue Gegenteil vor sich stehen: Saras Mutter. Eine große Reisetasche in der Hand und einen Stoffbeutel um die Schulter. „Dad, Grandma Dana ist hier.“ Noah wirkte nicht erfreut. Als sie einmal über Weihnachten bei Dana in Miami waren, musste der Arme mit ihr meditieren, was er bis heute nicht vergessen konnte. „Hallo, Ihr Lieben!“ Dana Webber drückte ihren Enkel fest an sich. Sie hatte die Gabe, mit ihrer bloßen Anwesenheit einen kompletten Raum zu füllen.
„Darf ich zu Billy?“ In Noahs Augen lag ein Flehen.
Als Matt endlich den Mund zubekommen hatte, erwiderte er nur. „Na klar, hau schon ab.“
„Nicht so schnell“, hakte Dana ein und tätschelte
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