Gnadenlos (Sara Cooper)
Hühner oder andere Tiere. Sara war irritiert. Der Busfahrer fluchte in einer Tour, in der Ferne heulte eine Sirene, das Hupen war ohrenbetäubend. Es herrschte ein unglaublich hoher Lärmpegel und gewiss würde sie bald dröhnende Kopfschmerzen bekommen.
Sara war froh, als sie endlich das Hotel erreichte. Sie meldete sich bei der Rezeption an, nahm die Unterlagen entgegen, die Cruz ihr gefaxt hatte, und ging auf ihr Zimmer. Als sie auf dem Kopfkissen eine Praline vorfand, musste sie schmunzeln. „Fast wie zuhause“, flüsterte sie vor sich hin. Auf einem kleinen Tisch neben dem Fernseher lagen sogar ein paar englischsprachige Zeitungen. Sara ging ins Badezimmer. Das grelle Licht war brutal und ehrlich. Sie blickte sich im Spiegel an und erschrak ein wenig vor sich selbst. Tiefe Ränder zierten ihre Augen, sie sah aus, wie sie sich fühlte: abgeschafft und hundemüde. Ihre blonden, schulterlangen Haare hingen kraftlos an ihrem Kopf herunter und sie fühlte sich schmutzig. Schnell legte sie ihre Sachen ab und nahm eine lange kalte Dusche. Nachdem die Abkühlung ihren Körper neu belebt hatte, genoss sie bei geschlossenen Fenstern die Klimaanlage in ihrem Hotelzimmer. Sie hatte ein Handtuch wie einen Turban um ihr nasses Haar gebunden und sich in ein frisches Handtuch gewickelt. Zwar fühlte sie sich wieder sauber, aber nicht weniger hilflos.
Ihr Rucksack stand unausgepackt in der Ecke, alle Unterlagen, die Cruz ihr ins Hotel gefaxt hatte, lagen ausgebreitet auf dem Bett. Sara musste überlegen, was sie als nächstes unternehmen sollte. Ihr einziger Anhaltspunkt war Koh Tao, der letzte bekannte Aufenthaltsort der Mädchen. Sie suchte ihren Reiseführer aus dem Rucksack, um herauszufinden, wie sie auf die Insel kam. Schnell wurde ihr klar, dass sie sich nicht mal eben in ein Taxi setzen konnte. Im Reiseführer stand, Ko Samui sei mit dem Flugzeug oder per Nachtzug und Fähre zu erreichen. Ihr graute jetzt schon vor der Reise und der Jetlag machte sich zunehmend bemerkbar. Aber Zeit zu schlafen würde sie auf den Weg nach Koh Tao genug haben. Sie fönte sich die Haare, zog sich an und nahm das überflüssige Gepäck aus ihrem Rucksack. Matt und Noah würde sie später anrufen.
Der Junge an der Hotellobby hatte ihr den Weg noch mal genauestens aufgeschrieben. Für einen Flug war es zu spät. Sie wollte aber keine Zeit verlieren und entschied sich daher für den Nachtzug. Die Fotokopien, die der Hotelangestellte von den Fotos der Mädchen gemacht hatte, wogen schwer in ihrem Rucksack. Kaum stand Sara vor dem Hotel, entleerte sich der schwüle Gewitterhimmel über ihr. Augenblicke später plätscherte das Wasser über die vielen Dächer und flutete sämtliche Wege. Sara spürte den Regen auf ihrer Haut und roch die Feuchtigkeit. Genervt blickte sie auf ihre offenen Schuhe hinunter. Andere hatte sie nicht dabei. Sie suchte Geld aus ihrer Tasche, da fiel ihr die Karte von Tom Jackson in die Hände. Sie überlegte einen Moment, ob sie ihn tatsächlich hinzuziehen sollte. Alleine würde sie nicht wirklich effektiv sein. Sie kannte die Sprache nicht, und von Land und Leuten hatte sie genauso wenig Ahnung. Was hatte sie schon zu verlieren. Nach mehrmaligem Klingeln hob erst kurz bevor Sara wieder auflegen wollte jemand ab. „Hallo“, sagte eine müde Stimme.
„Ähm, Sara Cooper aus San Diego. Spreche ich mit Tom Jackson?“
Er räusperte sich. „Ja, Mrs Cooper, entschuldigen Sie. Ich muss kurz eingenickt sein. Rick hat erwähnt, dass Sie sich bei mir melden würden. Wo sind Sie? Haben Sie schon was herausgefunden?“
Sara unterdrückte die Bemerkung, ob es seinen Ermittlungsmethoden entspreche zu schlafen, anstatt auf der Straße nach den Jugendlichen zu suchen. „Nein, habe ich nicht. Ich bin gerade in Bangkok angekommen und wollte mich jetzt auf den Weg nach Koh Tao machen.“ Ihre Stimme hatte einen unpersönlichen Klang angenommen.
Der Mann am anderen Ende gähnte. „Das ist hoffnungslos. Ich habe schon die gesamte Insel abgeklappert. Aber die Kids sind wie vom Erdboden verschluckt.“
Sara hatte das Gefühl, dass er sie abwimmeln wollte. „Können wir uns trotzdem dort treffen? Vier Augen sehen mehr als zwei.“
Sara spürte sein Unbehagen. Der Mann schien nicht wirklich Sinn in der Zusammenarbeit zu sehen. „Na gut“, sagte er schließlich. „Ich bin gerade auf Koh Panghan und nehme die erste Fähre morgen früh. Wir treffen uns am Hafen auf Koh Tao.“ Er legte auf, ohne ihre Antwort abzuwarten.
Koh
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