Gnadenlos (Sara Cooper)
Panghan? War das nicht eine Nachbarinsel von Koh Tao? Sie hatte auf jeden Fall schon bereut, ihn um Hilfe gebeten zu haben.
Kapitel 12
Bangkok
Mia saß wieder in der Zelle und starrte vor sich hin. Ihre Glieder waren schwer durch die mangelnde Bewegung. Sie hatte das Gefühl, nicht mehr klar denken zu können. Alles war falsch, nichts ergab einen Sinn, und es schien keinen Weg zu geben, aus diesem Teufelskreis zu entfliehen. In der Zwischenzeit waren etliche weitere Frauen hierher gebracht worden, der Raum war noch voller als vorher. Mia setzte sich in eine Ecke direkt an der Zellentür. Vor ihr lag der Gang, der in die Freiheit führte. Draußen herrschte jedoch eine beängstigende Stille, als ob niemand in den angrenzenden Zellen wäre. Mias Füße waren schmutzig, ihre Nägel rissig. Kakerlaken liefen an allen Wänden entlang. Sie berührte mit ihrer Hand die bröckelige Wand und schluckte heftig. Langsam begriff sie, was der Anwalt ihr mitgeteilt hatte. „Todesstrafe“. Das Blut gefror in ihren Adern. Sie zitterte am ganzen Körper und bekam kaum Luft. Sie wimmerte leise vor sich hin und strich sich durch ihr strähniges Haar, Tränen stiegen ihr in die Augen. Wo war Ryan? Lebte er überhaupt noch? Was war mit Claire? Je verzweifelter sie versuchte, einen Zusammenhang herzustellen, desto mehr schienen sich ihre Gedanken zu verheddern.
Erinnerungsfetzen und Bilder wirbelten durch ihren Kopf. Es war alles so schön gewesen. Sie war mit Claire von Bangkok nach Chumphon gereist und von dort nach Koh Phangan und Ko Samui – anschließend weiter mit der Fähre nach Koh Tao. Es waren wundervolle vier Wochen gewesen. Und dann stand eines Abends Ryan vor ihr, wie aus dem Nichts. Sie war sofort hin und weg gewesen, als er sie mit seinen fröhlichen Augen, seinem makellosen Gesicht anlächelte und ihr einen Cocktail hinhielt. Seit diesem Zeitpunkt waren sie unzertrennlich. Claire war zwar nicht ganz so begeistert von Jared, weil sie nicht auf Tattoos und kurz geschorene Haare stand, aber sie hatte es hingenommen, dass er mit ihnen abhing. Jetzt war er tot. Mias Magen zog sich zusammen, als sie an ihre Freundin dachte. Was war mit ihr? Lebte sie überhaupt noch, und wenn ja, wo war sie?
Nachdem Claire bei ihr eingezogen war, hatte sie sich verändert. Sie war merkwürdig gewesen, so verschlossen, als würde sie eine große Last mit sich herumtragen. Aber vielleicht bildete sie sich das auch nur ein. Claire war auf jeden Fall nicht begeistert davon gewesen, dass sie die Jungs im Schlepptau hatten. Mia hatte wieder die Polizisten vor Augen und das Päckchen mit den Drogen. Woher kamen die Drogen? Hatten Ryan oder Jared etwas damit zu tun? Jared. Sie hatten Jared einfach erschossen. So etwas taten Polizisten doch nicht. Einen unbewaffneten Jungen. Mia verstand das alles nicht. Dann dieser seltsame Ort, an den man sie gebracht hatte, und der noch viel seltsamere Anwalt. Ihre Eltern würden ihr doch niemals so einen Typen zur Hilfe schicken. Und wo waren Mum und Dad? Sie wären doch schon längst hier bei ihr, wenn sie tatsächlich von der Sache wüssten. Tränen liefen unaufhaltsam ihre Wange herunter. Sie fühlte sich wie ein gefangenes Tier. Zudem hatte sie seit Tagen den Eindruck, von einer Mitgefangenen beobachtet zu werden.
Kapitel 13
Bangkok
Sara wollte zunächst zum Zentralbahnhof „ Hua-Lampong“ und mit dem Royal Thai Railway im Aircon Schlafwagen bis Chumphon, von wo aus es mit der Fähre nach Koh Tao weiterging. Skeptisch blickte sie zum Himmel. Zum Glück waren die starken Wolkenbrüche in Bangkok meist nur von kurzer Dauer. Zwar tröpfelte es nach einem ergiebigen Regenguss noch einige Zeit, dafür war es nicht mehr so heiß und schwül in den Straßen. Die Zugfahrt nach Chumphon sollte acht Stunden dauern. Endlich Zeit, ein bisschen die Augen zu schließen. Erleichtert registrierte sie, dass das Taxi, mit dem sie zum Bahnhof fuhr, eine Klimaanlage besaß, die angenehm kühle Luft in den Innenraum blies. Seit ihrer Ankunft im Hotel hatte sie mehrfach versucht Matt anzurufen, aber nur den Anrufbeantworter erreicht. Nachrichten hinterließ sie nur in den äußersten Notfällen. Sie hasste dieses Ding einfach.
Nach gut 30 Minuten Fahrt war sie endlich am Bahnhof angelangt. Die Kopfschmerzen pochten gegen ihre Schläfen, sie zahlte und holte sich eilig ein Zugticket. Der Zug war - wie hätte es anders sein können - total überfüllt. Sara hetzte mit ihrem Rucksack durch den schmalen Gang und hatte Not,
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