Gnadenlos (Sara Cooper)
Shawn.
Philip versuchte mit einem Blinzeln, seine Tränen zurückzuhalten.
„Hat deine Mutter dir nichts davon erzählt?“ Ein ernster Ausdruck legte sich auf Lillys Gesicht.
Der Junge schloss die Augen. „Ach Mum, die redet schon seit Jahren nicht mehr mit mir.“
Lilly wunderte diese Antwort nicht. „Wann hast du zum letzten Mal von deiner Schwester gehört?“, fragte sie weiter.
Philip ließ seinen Kopf in seine zitternden Hände fallen. „Es ist alles meine Schuld“, jammerte er kaum hörbar. Shawns Ungeduld wuchs, er ging einen energischen Schritt auf den Jungen zu, aber Lilly hielt ihn am Arm fest. „Mit Druck kommen wir hier nicht weiter“, sagte sie mit gedämpfter Stimme zu ihrem Kollegen. Shawn blieb stehen und Lilly ging in die Knie. Sie schaute Philip direkt in die Augen, der mittlerweile hemmungslos weinte. „Was meinst du damit, das alles sei deine Schuld?“, fragte sie ruhig.
Der Junge wirkte verzweifelt. Abrupt sprang er auf und lief hektisch in der Wohnung hin und her.
Lilly wurde etwas lauter. „Philip.“ Sie hielt ihn am Arm fest. „Deine Schwester ist verschwunden und du scheinst etwas zu wissen. Claire ist vielleicht in Gefahr und braucht dich jetzt. Sag uns, was du weißt. Bitte.“
Philip schien sich etwas zu beruhigen. Hilflos biss er auf seinen kaputten Fingernägeln herum. Seine nervösen Augen schossen umher, bis sie auf Lilly ruhten. „Er wird sie töten“, sagte er mit brüchiger Stimme.
Kapitel 16
Chumphon – Koh Tao
Sara hatte die Nacht durchgeschlafen und sich mit einem leckeren Frühstück gestärkt. Zu ihrer eigenen Verwunderung verließ sie den Zug in Chumphon fast schmerzfrei. Sie streckte sich auf dem Bahnsteig und registrierte erleichtert, dass hier nicht so ein Trubel wie in Bangkok herrschte. In Chumphon ging das buddhistische Kernland Thailands in den muslimisch geprägten Süden über. Aber auch hier beherrschten Touristen das Stadtbild. Die Luft war angenehmer, da ein Wind ging, aber es war nicht minder heiß. Sara verstand schnell, dass sie einfach nur dem Menschenstrom hinterherlaufen musste, dann würde sie zum Hafen gelangen. Von dort würde sie eine Fähre nach Koh Tao bringen. Unterwegs versuchte sie Matt zu erreichen. In San Diego war nun früher Nachmittag – das glaubte sie zumindest. Matt nahm nach dem ersten Klingeln ab.
„Sara, endlich!“, platzte es aus ihm heraus. „Wo steckst du? Ist alles in Ordnung? Hast du Mia gefunden?“
Sara unterbrach ihn. „Matt, mir geht es gut.“
„Warum meldest du dich nicht? Wenigstens eine Nachricht, dass du gut angekommen bist, wäre nett gewesen.“
Sara merkte, dass ihr Mann gereizt war. „Der Anrufbeantworter ging immer dran. Ja, ich hätte eine Nachricht hinterlassen können, oder eine SMS schreiben. Es tut mir leid. Ich gelobe Besserung.“
Matt lachte. „Na gut“, sagte er besänftigt. „Erzähl, wie läuft es?“
Sara atmete tief ein. „Von Mia leider immer noch keine Spur“, erklärte sie kurz.
Matt seufzte. „Wie ist dein Plan?“
„Ich bin jetzt kurz vor Koh Tao. Von dort aus haben sich die Mädchen das letzte Mal gemeldet. Ich werde die Insel absuchen und darauf hoffen, irgendetwas herauszubekommen.“
„Das klingt wie die Nadel im Heuhaufen suchen. Sei bitte vorsichtig.“
„Versprochen, Schatz. Gibst du mir kurz Noah.“
„Schlechtes Timing, unser Sohn ist bei beim Baseball-Training. Aber es gibt da noch etwas, das du wissen solltest.“
Sara stutzte. „Was ist los, Matt?“
„Deine Mutter ist hier.“
„Wie bitte?“, platzte es aus seiner Frau heraus.
„Keine Sorge. Ich habe sie sofort zu Jane geschickt. Sie wusste nichts von Mias Verschwinden.“
„Oje, und jetzt ist sie bei Jane? Haben die beiden sich noch nicht zerfleischt?“
Matt musste grinsen. „Ich rufe deine Schwester später mal an und höre, wie es den Damen geht.“
Sara atmete erleichtert auf. „Gut. Gib Noah einen Kuss von mir. Ich melde mich.“ Die Fähre lag vor ihr, und sie beendete das Gespräch.
Sara kaufte sich ein Ticket und ging an Bord. Sie überlegte, wo sie sich hinsetzen sollte, und ging zunächst nach unten in den Innenbereich. Doch dort lief die Klimaanlage auf Hochtouren und ihr wurde sofort kalt. Am Oberdeck war es angenehmer. Sie stellte sich an die Rehling und starrte aufs Meer hinaus. Der frische Wind wehte ihr ins Gesicht und sie genoss die Windböe, die Sonne schimmerte auf dem Meer und Möwen kreisten unruhig über der Fähre.
Während Sara nochmal alle
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