Gnadenlos (Sara Cooper)
vor dem Fernseher eingeschlafen. Nun stand er auf und betrachtete Keno, der immer noch tief und fest schlief. Seine Haare standen in alle Richtungen ab. Tom lächelte, als er den Kleinen ansah. Der Junge war ganz schmutzig im Gesicht und ein bisschen Wasser würde ihm guttun. „Hey Kleiner, aufwachen.“
Keno öffnete langsam die Augen. Er lächelte, als er Tom sah. Tom hatte keine Ahnung, warum der Junge ihn so mochte. Er hob ihn hoch und nahm ihn auf den Arm. „Jetzt gehst du erstmal unter die Dusche, mein Lieber.“ Er nahm ihn mit ins Bad und stellte ihn in die Kabine. Als er ihm die Sachen auszog, erschrak er. Der Junge war sehr dünn und seine Knochen traten spitz hervor. Tom strich ihm übers Haar und machte das Wasser an. Vorsichtig wusch er Keno, packte ihn in ein großes Handtuch und brachte ihn zurück zum Bett, legte ihm seine Kleider hin und bedeutete ihm, sich anzuziehen. Dabei fiel ein Foto aus der Hosentasche des Jungen. Ein altes Foto von einer Frau.
„Wer ist das?“ Keno zog sich an und nahm das Bild in die Hand, das Tom ihm hinhielt. „Ist das deine Mutter?“, wollte Tom wissen.
Keno betrachtete das Bild und sah Tom an. „ Jaai “, erwiderte er.
Tom verstand ihn. „Deine Großmutter, Jaai ?“
Keno nickte. Tom überlegte. Und was ist mit deinen Eltern?“ Tom versuchte, sich auf Thai zu verständigen. Keno senkte traurig den Blick, er flüsterte etwas. Tom beugte sich zu ihm herunter und nahm ihn in den Arm. Kenos Eltern waren tot.
Tom hatte sich fertig gemacht und wollte Keno nun so schnell wie möglich zur Polizeistation bringen. Seine Großmutter würde ihn sicher schon vermissen. Er ärgerte sich, dass er das nicht schon gestern getan hatte. Die Polizeistation war nicht weit entfernt von seinem Hotel, und Tom wollte den Jungen davor absetzen und verschwinden. Die Überlegung, ihn einfach in irgendeinem Laden zu lassen, verwarf er schnell wieder. Er wollte Gewissheit, dass der Kleine in die richtigen Hände kam. Um nicht erkannt zu werden, zog er sich seine Kapuze tief ins Gesicht und eilte mit Keno zur Wache. Er wusste, dass er sich großer Gefahr aussetzte, aber das war ihm egal. Der Gedanke, aufzuhören, bereitete ihm ein Gefühl von Wärme in der Brust. Was hatte er schon zu verlieren? Nichts. Der Junge lief neben ihm. Immer wieder schob Keno seine Hand in Toms, die Tom zunächst abschüttelte, irgendwann aber festhielt. An der Polizeiwache angekommen, hockte er sich vor den Jungen hin und gab ihm eine Tüte. „Du passt schön drauf auf und gibst sie deiner Großmutter, okay? Jaai .“
Keno nickte.
Tom blickte den Kleinen an und gab ihm einen Nasenstubser, Keno lächelte und sagte. „ Dschuub “.
Tom grinste, weil es soviel wie Kuss bedeutete. „Bye bye, Keno“, sagte er leise. Er richtete sich gerade auf, als drei Polizisten aus der Wache kamen, die ihn von drinnen beobachtet haben mussten. Tom wich zurück, und Keno starrte die uniformierten Männer mit großen Augen an. „Tom Jackson?“, fragte einer von ihnen, und intuitiv zog Tom seine Waffe. Es war die falsche Entscheidung, das wusste er im selben Moment. Einer der Männer schnappte sich den Jungen und brachte ihn unter Kenos Gebrüll ins Revier. Tom hielt die Waffe im Anschlag. Sein Puls dröhnte in seinen Ohren, Schweiß tropfte von seiner Stirn. Er musste nun eine Entscheidung treffen, das war ihm klar. Er wollte endlich aufräumen in seinem Leben und neu anfangen. Wenn das überhaupt möglich war. Er hatte die Waffe schon wieder gesichert und wollte sie gerade herunter nehmen, als ein dumpfer Schuss fiel.
Kapitel 72
San Diego Airport
Mia, Claire und Sara traten aus der Flughafenhalle nach draußen und waren erleichtert, wieder amerikanischen Boden unter den Füßen zu haben. Dieser Tag gehörte zweifelsfrei zu einem der guten Tage. Sara fühlte sich frisch und munter. Der Himmel war bedeckt, die Luft kühl und der Boden feucht, es musste die letzten Stunden durchgeregnet haben. Sara reichte Mia eine Strickjacke. „Hier, zieh die über“, bat sie ihre Nichte. Während Mia sie überzog, erspähte sie ihren Dad, der in diesem Moment auf sie zugerannt kam. „Schatz“, sagte er laut, nahm Mia in den Arm und hielt sie sekundenlang fest. „Es tut mir leid, dass ich so spät bin, ich stand im Stau. Es war fast kein Durchkommen.“
Sara beobachtete, wie Tränen über seine Wange liefen, und musste schlucken. Rick löste sich von seiner Tochter und nahm nun auch seine Schwägerin in den Arm. „Danke
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