Gnosis
weiches, weißes Licht abgaben.
«Darian! Schön, Sie zu sehen!», sagte die hagere Frau, die jetzt hinter ihrem Schreibtisch aufstand. Sie nahm ihre Lesebrille ab und ging zwei Schritte auf die beiden zu. «Und Sie müssen Laszlo sein», sagte sie mit ausgestreckter Hand. «Ich bin Samantha Zinser. Ist mir ein Vergnügen.»
«Das Vergnügen ist ganz meinerseits», sagte Laszlo und schüttelte ihr kurz die Hand.
Als er losließ, sah er, dass sie ihre Hand einfach fallen ließ. Diese Frau hatte irgendwie etwas Seltsames an sich. Irgendetwas … Laszlo neigte den Kopf, als ihn ein heller, blumiger Duft anwehte. Noch nie hatte er bei jemandem ein derart gutes Gefühl gehabt. Es war fast, als berührte man den Geist eines Kindes – diese Offenheit, diese Aufrichtigkeit …
Er lächelte und kam sich wegen seiner Beklommenheit fast albern vor. Er sah Darian an und erwartete ein ähnlich gelöstes Grundgefühl, doch sie war wie eine Mauer. Er nahm leise säuerliche Sorge wahr, sogleich verdrängt von entspannter Ruhe.
Samantha Zinser hatte irgendetwas an sich. Sie vermittelte ihm ein Gefühl von … Sicherheit.
Ihre Unterredung dauerte ewig. Zinser erzählte den üblichen Quatsch, nichts als Halbwahrheiten, und dazu ständig dieses falsche Lächeln, und Laszlo sog alles mit breitem, selten dämlichem Grinsen in sich auf. Normalerweise hätte er nicht alles so bereitwillig hingenommen, aber er hatte keinerlei Kontrolle mehr.
Jills Anwesenheit bedrängte Darian so heftig, dass sie ihre ganze Kraft aufbringen musste, um das Mädchen auf Distanz zu halten. Seit Darians letztem Besuch im Labor vor zwei Monaten war Jill noch viel stärker geworden.
Was hast du denn gedacht? Sie wird hier ausgebildet. Genau wie du damals.
Darian biss sich auf die Zunge und konzentrierte sich auf den Schmerz. Sie schmeckte das Blut und schluckte es herunter, froh über die Ablenkung.
Sie spürte, wie sich Jill langsam abwandte. Wahrscheinlich brauchte sie ihre ganze Konzentration, um Laszlo in ein dermaßen unterwürfiges Kind zu verwandeln. Darian sah zu Zinser hinunter.
Sie hatte etwas Sonderbares an sich, als wäre sie gar nicht wirklich anwesend. Hätte Darian nicht gerade selbst gesehen, wie Zinser Laszlo die Hand schüttelte, hätte sie gemeint, die Frau wäre ein Hologramm. Immer wieder tastete sie nach ihr, aber es war, als wollte man nach Rauch greifen.
Egal. Nimm das Geld und verschwinde!
Darian wusste, dass sie auf ihren Instinkt hören sollte, und ihre Sorge ließ nicht nach. Sie musste wissen, wo sie stand. Wenn sie Zinser nicht manipulieren konnte, würde es vielleicht gar kein Geld geben. Und vielleicht auch kein Verschwinden.
Nein. Sie …
- Was? Sie haben es dir versprochen? Wer’s glaubt …?
Scheiß drauf.
Darian fuhr sich mit ihrer blutenden Zunge über einen spitzen Zahn. Dabei konzentrierte sie sich auf Zinser und gab ihren pochenden Schmerz weiter.
Komm schon, du Biest! Mal sehen, wie viel du aushalten kannst.
Doch da war nichts. Zinsers Geist war still wie ein Bergsee.
Okay. Keine Spielchen mehr.
Darians Atem ging schneller, als sie wieder versuchte, ihren Schmerz auf Zinser zu übertragen. Die Gewaltbereitschaft, die sie projizierte, war so heftig, dass sie schon damit rechnete, Zinser würde sie gleich über den Tisch hinweg anspringen.
Doch es kam keinerlei Reaktion.
Was zum Teufel ist hier los?
Darian versuchte, sich zu beruhigen. Verlor sie etwa ihre Gabe? Nein, das war unmöglich. Noch immer spürte sie Laszlo überdeutlich, und auch Jill, die hinter der Wand lauerte. Darians Gabe war intakt.
Das bedeutete, dass irgendwas mit Zinser faul war.
Oder vielleicht nicht faul. Vielleicht nur … anders. Darian ließ die letzten beiden Monate Revue passieren. Sie hatte geglaubt, es sei ihre eigene Idee gewesen, das Labor zu meiden, doch nun war sie ihrer Sache nicht mehr sicher. Es war doch merkwürdig, dass Zinser sie gar nicht gebeten hatte, zurückzukommen. Dietrich hatte Darian zwar schon jedem erdenklichen Test unterzogen, aber er ließ sich ständig neue Experimente einfallen.
Die haben sich was Neues einfallen lassen: eine Möglichkeit, sich zu schützen.
Blankes Entsetzen packte Darian. Ihr einziger Vorteil war gewesen, dass man sie nicht belügen konnte. Sicher, Zinser sprach oft in Halbwahrheiten, doch sie war Darian gegenüber nie wirklich boshaft. Jetzt waren die Karten neu verteilt.
«Darian?» Zinser und Laszlo sahen sie erwartungsvoll an. Laszlo glühte förmlich vor
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