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Gnosis

Gnosis

Titel: Gnosis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Fawer
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biometrischen Daten des Mädchens im Auge, die über eine spezielle Armbanduhr und die Ohrringe gemessen wurden. Der Schmuck ermittelte die Organfunktionen des Mädchens und übersetzte sie in emotionale Zustände – was absurd schien angesichts der Tatsache, dass Jill ihre Gefühle unmittelbar auf andere übertrug. Auf diese Weise aber wurde Zinser immerhin bewusst, dass die religiöse Deprogrammierung des Mädchens keinerlei Wirkung zeigte.
    Nein, wenn Zinser den Schaden ausgleichen wollte, den die Kindheit im kirchlichen Waisenhaus angerichtet hatte, musste sie zuallererst die Seele des Mädchens berühren. Und deshalb musste Zinser Jill erst einmal dazu bringen, dass sie ihr vertraute – was jedoch nie der Fall sein würde, wenn das Mädchen Zinsers Gefühle lesen konnte wie die Rückseite einer Cornflakes-Packung.
    Und so versuchte Zinser, Güte und Zuneigung zu empfinden, während sie dort auf der kalten Liege lag, verkabelt mit Dietrichs Apparaten. Schließlich musste Dietrich ihr eine Dosis Methylendioxymethamphetamin verabreichen, damit sie so weit entspannte, dass er überhaupt in der Lage war, ein Spektrum von «Gefühlen» aufzuzeichnen, auf die sie umschalten konnte, wenn sie mit Jill zu tun hatte.
    Am nächsten Tag legte Zinser die Silberkette um, befestigte die kleine, schwarze Tesla-Box an ihrem Gürtel und setzte sich zum ersten Mal mit Jill zusammen – von Frau zu Frau. Wäre Zinser selbst Empathikerin gewesen, hätte sie gemerkt, dass die Gefühle, die Dietrichs Apparat projizierte, nicht nur freundlich, sondern geradezu liebevoll waren.
    Als Jill in Zinsers Seele blickte, sah das Mädchen Gefühle, die sie sich seit langer Zeit von einer anderen Frau erhofft hatte. Und so begann die Verführung der Jill Willoughby.

KAPITEL 29
     
     
    Als Darian Laszlo durch das Labor führte, fiel ihr auf, dass die Wissenschaftler – genau wie Zinser – emotionale Fassaden aufgebaut hatten. Jede dieser Fassaden war einzigartig, und doch waren sie alle in gewisser Weise flach und glatt. Am Ende des Rundgangs fühlte sich Darian angesichts der emotionalen Endlosschleifen geradezu orientierungslos. Sie versuchte, ihnen zu entkommen, war jedoch vom langsamen, beharrlichen Rhythmus wie magisch angezogen, wie eine Zunge, die immer wieder an einem entzündeten Zahn herumtastete.
    Als sie wieder in Zinsers Büro kamen, hatte Darian ihren Entschluss gefasst. Am nächsten Morgen würden sie fliehen. Mit oder ohne Geld – sie wollte aussteigen. Als sie das Büro betrat, spürte sie eine ungeheure Erregung. Erst kam sie ganz durcheinander, merkte aber schnell, dass es nicht ihre Emotionen waren – es waren Jills.
    Eine schreckliche Ahnung überkam sie. Dann sah Darian die Champagnerflasche. Und da wusste sie Bescheid.
    «Ich dachte mir, wir könnten zur Feier des Tages gemeinsam anstoßen», sagte Zinser, und eine dicke Wolke euphorischer Freude quoll aus ihr hervor.
    Zinser nahm die schlanke Flasche und schenkte drei Gläser voll, die dort auf dem Tisch standen. Sie gab Darian und Laszlo je eines davon, dann erhob sie das ihre.
    «Auf eine empathische Zukunft!», sagte Zinser.
    Laszlo stieß mit Darian an. Am liebsten hätte sie ihm das Glas aus der Hand geschlagen, doch sie konnte nur hilflos mit ansehen, wie er daraus trank. Zinser tat es ihm nach und nippte kurz. Als Darian zu Laszlo sah, spürte sie, wie die Droge ihn bereits umnebelte.
    Er blinzelte, weil er offenbar schon verschwommen sah.
    «Mir wird so … so …» Das Glas glitt ihm aus der Hand und zersplitterte auf dem Tisch.
    Darian stellte schnell ihr Glas weg und fing Laszlo auf. Unter seinem Gewicht kam sie ins Wanken, und Zinser half ihr, ihn auf den Boden zu legen. Über den leblosen Laszlo hinweg sah Darian Zinser in die Augen.
    «Ich wünschte, es wäre auch anders gegangen», sagte Zinser.
    In diesem Moment kamen zwei Wachposten herein. Instinktiv wollte Darian Einfluss auf sie nehmen, doch da war nichts. Nicht einmal die trügerisch glatte Fassade der Wissenschaftler. Nur endlose Mauern in alle Richtungen, die ihre Gedanken verbergen sollten.
    «Machen Sie es uns nicht schwerer als nötig», sagte Zinser und trat einen Schritt zurück.
    Darian sah in Laszlos entspanntes Gesicht und streichelte seine Wange. «Was haben Sie mit ihm vor?»
    «Er wird glücklich sein», sagte Zinser. «Dafür werde ich schon sorgen.»
    Darian stand auf und deutete auf die Wand. «Sie meinen, sie wird dafür sorgen.»
    Zinser zuckte mit den Achseln. Da rastete Darian

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