Gnosis
musste, packte Laszlo Branigan beim Handgelenk.
Der Mann fuhr herum, mit einem Mal hellwach. Doch bevor er sich von Laszlo losmachen konnte, wurde die undurchdringliche Hülle um Branigans Geist porös. Laszlo sendete erschöpfte Euphorie aus.
«Ist okay», sagte Laszlo. Sanft legte er seine andere Hand auf Branigans Schulter. «Ich mach das schon.»
Branigan zögerte. Laszlo spürte den Aufruhr in ihm, als der Mann überlegte, was er tun sollte. Laszlo biss die Zähne zusammen, wohl wissend, dass sein Leben auf dem Spiel stand, und legte noch einmal nach – Branigans Augen glotzten ins Leere, und ein seliges Grinsen breitete sich aus.
«Na klar», sagte er und trat zurück. «Schlafen Sie gut.»
«Danke», sagte Laszlo, ohne seine Kontrolle über den anderen aufzugeben. «Gute Nacht.»
Laszlo trat in sein Zimmer, wobei er Branigans Handgelenk losließ, und schloss augenblicklich die Tür. Ihre mentale Verbindung war sofort unterbrochen. Am liebsten hätte Laszlo Licht gemacht und nachgesehen, ob die Kellnerin seinem Wunsch entsprochen hatte, aber er wagte nicht, sich zu rühren.
Im Dunkeln stand er da, panisch, und rechnete damit, dass Branigan jeden Augenblick klopfen würde. Einen Moment war alles still. Laszlo hielt die Luft an. Schließlich hörte er, wie der Wachmann den Flur hinunterging und seine Schuhe über den abgewetzten Teppich scharrten.
Laszlo atmete aus, schloss die Augen und lehnte sich an die Wand. Plötzlich war er total erschöpft. Er wollte sich ausruhen, seinen Geist entspannen, doch selbst jetzt, allein in diesem Zimmer, spürte er, wie das Mädchen nach ihm tastete, durch die dünne Wand, die zwischen ihnen war.
Sie saß nebenan.
Also spielte Laszlo weiter psychisches Theater und täuschte wohlige Ahnungslosigkeit vor, als er die Hand nach dem Lichtschalter ausstreckte. Eine Sekunde lang ließ er seine Hand dort, weil er fürchtete, was er vielleicht gleich sehen würde.
Er wusste nicht, was er tun sollte, falls die Kellnerin ihn im Stich gelassen hatte. Bei dem Gedanken, wieder unter der Kontrolle dieses Mädchens zu sein, wurde ihm eiskalt.
Aber vielleicht hatte die Kellnerin ihr Versprechen gehalten. Er musste den Schalter betätigen, um es herauszufinden. Er machte Licht.
Laszlo blickte vom blassgrünen Teppich auf und sah sich um. Als er zum Bett kam, gestattete er sich einen kurzen Moment reiner, unverfälschter Freude.
Auf der karierten Tagesdecke stapelten sich zwanzig Päckchen Zigaretten und fünfzig Dosen Kautabak. Camel, Marlboro, Kent, Chesterfield, Winston und Lucky Strike. Die Folien der eingeschweißten Schachteln und die silbernen Dosen schimmerten im Licht der Lampe.
Laszlo trat zwei Schritte vor und nahm die Dose, die ihm am nächsten war. Er klappte den Deckel auf, holte einen Klumpen klebrig braunen Tabak heraus und klemmte ihn zwischen Wange und Zahnfleisch. Wenn tatsächlich das Nikotin ihn befreit hatte, müsste es doch egal sein, wie es in seinen Körper gelangte.
Er lutschte an dem Klumpen und wartete. Bald verspürte er das gleiche entspannte Hochgefühl wie beim Rauchen. Das Mädchen tastete nach seinem Geist, bekam ihn jedoch – wie vorhin in der Bar – nicht zu fassen. Laszlo seufzte, und zum ersten Mal seit zwei Monaten lächelte er ein echtes Lächeln.
Er war frei, und er brauchte einen Plan.
KAPITEL 39
Jill betrachtete die Spur aus Schuhen, Strümpfen, Hemd und Jeans, die sie von der Tür bis zu ihrem Bett hinterlassen hatte. Ihre Kleidung war das Erste gewesen, was sie änderte, als sie St. John’s verlassen und ihre Schuluniform abgelegt hatte. Auch in dieser Hinsicht hatten die Nonnen versucht, etwas aus ihr zu machen, was sie nicht war.
Sie hasste es, auszusehen wie ein kleines Mädchen – fast so sehr, wie sie ihren Körper hasste. Besonders ihre wachsenden Brüste. Die Brüste anderer Frauen gefielen ihr, doch ihre eigenen fand sie widerlich. Glücklicherweise ließ Samantha – im Gegensatz zu Schwester Martha – sie anziehen, was sie wollte, was bedeutete, dass Jill mit ihrer Kleidung ihre fast schon frauliche Figur verbergen konnte.
Außerdem hatte Samantha ihr echte Verantwortung übertragen – zum Beispiel Laszlo. Deshalb war ihr in der Bar der Schreck so furchtbar in die Glieder gefahren, als sie von Laszlo abglitt, als wäre er aus Eis. Da hatte sie aufgeblickt und gemerkt, dass er sie anstarrte.
Sofort hatte sie sich zurückgezogen. Eine Sekunde lang hatte sie einen Widerstand gespürt, doch dann war Laszlo
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