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Gnosis

Gnosis

Titel: Gnosis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Fawer
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unsere Ideen.
    Es ist unmöglich, den Grund für diese Grenzen zu begreifen, und daher ist es unmöglich, die Kraft des eigenen Geistes wirklich zu ‹kennen›. Ich fordere euch hiermit heraus.» Zinser legte eine kurze Pause ein und sah sich ein Kind nach dem anderen an. «Sagt mir, welcher Geisteskraft ihr euch wirklich bewusst seid.»
    Niemand sagte etwas. Zinser fuhr fort: «Und genauso wie die Kraft eures Geistes unbegreiflich ist, bleibt auch die Macht eures Willens über euren Körper gleichermaßen unbegreiflich.»
    «Aber …», sagte Jill, die noch immer überlegte. «Wenn wir unseren eigenen Willen nicht kennen, bedeutet das nicht, dass irgendetwas anderes am Werk ist? Gott vielleicht?»
    «Da wir Gott nicht mit unseren fünf Sinnen wahrnehmen können, muss Gott eher eine Idee als ein Sinneseindruck sein. Da Gott nicht Teil unserer Erinnerung ist, muss Gott unserer Vorstellung entsprungen sein. Und da Gott nicht körperlich ist, kann die Vorstellung von Gott nicht aus einer Tatsache erwachsen sein, also muss er einem Gefüge von Ideen entstammen. Aber alle Ideen entstehen aus Erfahrung, und es gibt keine Erfahrung, die uns zum Glauben an Gott führen könnte.
    Also existiert Gott nicht.»
    «Was ist mit dem Bewusstsein?», fragte Jill. «Selbst wenn ich nicht weiß, wie mein Bewusstsein funktioniert, erlebe ich es doch aber. Könnte nicht die Vorstellung von Gott aus dieser Erfahrung stammen?»
    «Ockhams ‹Rasiermesser› würde das verneinen. Entia non sunt multiplicanda praeter necessitatem: Annahmen sollten nicht weiter als notwendig vervielfältigt werden.»
    «Was bedeutet das?», fragte Jill.
    «Es bedeutet: Je weniger Annahmen einer Theorie vorausgehen, desto wahrscheinlicher ist sie. Daher ist die Theorie, dass ein unsichtbares, allmächtiges, allwissendes Wesen die Welt erschaffen hat, ausgesprochen unwahrscheinlich.»
    «Aber nicht unmöglich», meinte Jill. «Ich meine, nichts davon widerlegt die Existenz Gottes.»
    «Nein, das stimmt. Wie gesagt, stand Hume Gott sehr skeptisch gegenüber, aber er hat nie gesagt, dass Gott nicht existiert. Nur dass seine Existenz derart unwahrscheinlich ist, dass es ans Unmögliche grenzt.»
    Zinser betrachtete die Kinder. Trotz ihrer erstaunlichen Intelligenz sahen sie allesamt erschöpft aus. Sie konnte es ihnen nicht verdenken. Sie war selbst ein wenig benommen.
    «Genug für heute. Ruht euch aus. Nächstes Mal wird euch so richtig schwindlig.»
    «Und wie?», fragte Winter.
    «Ich stelle euch ein paar Philosophen vor, die sagen, dass alles, worüber wir uns heute unterhalten haben, falsch ist und das Gegenteil richtig.»
    Der Ausdruck auf ihren Gesichtern war köstlich. Dabei hatte Zinsers Spiel eben erst angefangen.

KAPITEL 37
     
     
    Hätte es nicht geregnet, wäre alles ganz anderes gekommen. An diesem Abend jedoch trieb eine Kaltfront einen besonders heftigen Sturm in die Vorstädte von Pennsylvania und setzte die Straßen unter Wasser. Aus diesem Grund beschlossen Laszlo und seine Begleiter, in einem Howard Johnson’s etwas abseits vom Highway zu übernachten.
    Da es noch zu früh war, um schlafen zu gehen, landeten sie auf einen Drink in der Bar. Während Manderville und Branigan gebannt ein Baseballspiel im Fernsehen verfolgten, fiel Laszlo die zitternde Frau am Nebentisch auf. Ihre knisternde Unruhe weckte seine Aufmerksamkeit.
    Als er sich umdrehte, nahm sie gerade eine Zigarette, steckte sie zwischen die Lippen und ließ ein silbernes Zippo aufschnappen. Die Flamme flackerte in ihrer Hand. Laszlo öffnete seinen Geist, als sie ihren ersten Zug nahm – der Rauch war jetzt in ihrem Mund und kitzelte in den Lungen. Laszlo spürte, wie sie innerlich vor Erleichterung seufzte.
    Die Kombination war himmlisch. Es ging doch wirklich nichts über eine Zigarette, wenn man nervös war. Laszlo wusste nicht, was diese Frau derart erschüttert hatte, und es war ihm auch egal. Was ihn interessierte, war dieses unglaubliche Gefühl, das in ihr summte.
    «Laszlo, Ihnen läuft ja schon der Sabber übers Kinn!», spottete Branigan. «Ich versteh gar nicht, was an der so toll sein soll.»
    «Ich interessiere mich nicht für sie», sagte Laszlo und riss seinen Blick – nicht seinen Geist – von der Frau los. «Nur für ihre Zigaretten. »
    «Wieso sagen Sie das nicht gleich?» Branigan holte ein Päckchen Marlboro aus seiner Innentasche. Er tippte dreimal an die Schachtel, klappte sie auf und bot sie Laszlo an. «Bedienen Sie sich.»
    «Danke», sagte Laszlo.

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