Gnosis
Zwar rauchte er seit einem halben Jahr nicht mehr, doch gab er seiner alten Gewohnheit nach – machtlos angesichts der nackten Gier.
Laszlo rollte die Zigarette zwischen Daumen und Zeigefinger hin und her, bevor er sie sich in den Mund steckte. Dann nahm er die Streichhölzer, die auf dem Tisch lagen, und riss eins an. Es knisterte und zischte, als das Streichholz aufflackerte, die Flamme den Kopf verschlang und sich das dunkle Stäbchen entlangzüngelte.
Einen Moment lang hielt sich Laszlo die kleine Flamme vor die Augen und genoss die Wärme an den Fingern. Dann zündete er die Zigarette an und inhalierte. Er sah den Tabak hellrot glühen.
Schließlich nahm er die Zigarette aus dem Mund, blies das Streichholz aus und freute sich am Duft, während der Rauch zur Decke stieg. Wieder führte er die Zigarette zum Mund und inhalierte. Während er den Rauch einatmete, stellte er sich vor, wie seine Lungen das Nikotin in seine Blutbahn lenkten.
Er atmete aus und blies den Rauch aus den Nasenlöchern. Dann schloss er die Augen und entspannte sich. Er genoss den Geschmack, das Gefühl, den Geruch, einfach alles an dieser Zigarette.
Laszlo wusste nicht, wie lange er in diesem Zustand gewesen war. Es kam ihm vor wie Tage, doch als er die Augen öffnete und die Zigarette aus dem Mund nahm, sah er an deren Länge, dass erst wenige Sekunden vergangen sein konnten. Während dieser Sekunden jedoch, als sich das Nikotin mit seinen Neurotransmittern verbunden hatte, wodurch sein Gehirn sich kurzfristig in eine Sondermülldeponie verwandelte, war etwas geschehen.
Laszlo wachte auf.
Mit abgrundtiefem Entsetzen dachte Laszlo an die letzten beiden Monate zurück und erkannte plötzlich, dass seine Gefühle in Wahrheit die ganze Zeit unecht gewesen waren. Was machte er hier eigentlich, mit diesen beiden emotionslosen Männern? – Nein, nicht Männer: Soldaten.
Er hielt sich am Tresen fest, um nicht abrupt herumzufahren.
Obwohl sie hinter ihm saß, konnte Laszlo sie doch spüren, glühend wie eine Supernova. Laszlo nahm noch einen Zug und atmete aus. Er hielt ganz still, als die weiche Wolke an seinem Gesicht vorbeizog. Instinktiv ahnte er, dass er nicht reagieren durfte. Sonst wüsste sie Bescheid und würde es auch weitergeben …
An Samantha. Natürlich. Bei seinem nächsten Zug stieß er das Streichholzheftchen vom Tresen und bückte sich, um es aufzuheben. Er wandte sich leicht zur Seite und warf einen Blick in die Runde.
Da sah er sie. Sie saß sechs, sieben Meter entfernt, das Haar zum strammen Pferdeschwanz gebunden. Links und rechts von ihr saßen zwei große Männer, die Laszlo noch nie gesehen hatte, auch wenn das, was sie ausstrahlten, ihm nicht neu war – aus ihnen drang dasselbe Nichts wie aus Branigan und Manderville.
Er versuchte, den Geist des Mädchens zu erfassen, und spürte trübe Langeweile und Verachtung, versetzt mit pulsierender Überheblichkeit. Als Laszlo hinübersah, wandte sich das Mädchen um und starrte ihn an. Laszlo musste sich entscheiden. Schnell.
Irgendwie hatte er sich aus ihrem Würgegriff befreit. Zwar hätte er am liebsten sofort auf sie eingewirkt, aber er beherrschte sich. Dann bekäme er es nicht nur mit ihr zu tun, sondern außerdem mit Branigan und Manderville. Sobald die merkten, dass irgendwas nicht stimmte, würden sie ihn ausschalten.
Also versuchte Laszlo, wieder den Gemütszustand herzustellen, in dem er sich eben noch befunden hatte.
Glücklich. Zufrieden. Naiv.
Der Geist des Mädchens hielt kurz inne, als stünde er reglos im Wald und lauschte, weil ein Zweig geknackt hatte. Dann ging er weiter.
Laszlo inhalierte und überlegte, wie er sich aus dem mentalen Gefängnis befreit haben mochte. Er tippte die Spitze der Zigarette in den Aschenbecher. Als er den Rauch aufsteigen sah, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen.
Nikotin. Das musste es sein – durch die chemische Reaktion in seinem Hirn war der Einfluss des Mädchens unterbrochen worden. Und jetzt war Laszlo frei. Doch wie lange? Und was passierte, wenn das Nikotin nachließ? Würde er wieder so werden wie vorher? Er nahm noch einen Zug und starrte die brennende Zigarette mit klopfendem Herzen an. Nikotin besaß eine sehr geringe Halbwertszeit – in wenigen Minuten würde die Wirkung nachlassen. Er musste sich beeilen.
Laszlo gab sich lässig und sah Branigan an.
«Hey, kann ich noch ‘ne Zigarette haben?»
«Logisch», sagte Branigan und reichte Laszlo das Päckchen. «Bedienen Sie sich.»
Laszlo gab
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