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Gnosis

Gnosis

Titel: Gnosis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Fawer
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    Jill war nur sieben Monate fort gewesen, und doch kam ihr nun alles kleiner vor. Letztes Jahr war das hier ihre ganze Welt gewesen, jetzt war es nur noch eine schmerzliche Erinnerung. Allerdings war die Klosterschule – abgesehen von der Organisation – das einzige Zuhause, das sie je gehabt hatte.
    Als sie den breiten Gang entlangging, hallten ihre Schritte im großen, steinernen Altarraum. Jede Kirchenbank weckte Erinnerungen.
    Da habe ich Buße getan.
    Da hatte ich einen Lachanfall, weil Sarah Schwester Martha nachgemacht hat.
    Da habe ich zum ersten Mal gesehen, dass Glaube rot ist.
    Sie zog die Nase hoch und wischte sich hastig über die Augen, als sie die enge Wendeltreppe zu Pater Sullivans Büro hochstieg. Sie wusste nicht, warum sie gekommen war, ob sie Rache wollte oder um Vergebung bitten. Sie wusste nur, dass sie herkommen musste. Oben angekommen, blieb sie stehen und starrte die schwere Holztür an.
    Da hing ein goldenes Schild.
    REV. RYAN O’CALLAGHAN.
    Wütend stieß Jill die Tür auf. Ein hagerer, rothaariger Priester starrte sie entgeistert an.
    «Kann ich Ihnen …?»
    «Wo ist Pater Sullivan?»
    «Bischof Sullivan wirkt mittlerweile von Saint Mary’s Chapel aus.»
    «Bischof Sullivan?»
    Einen Moment lang war Jill ganz durcheinander, dann begriff sie – Pater Sullivan war nicht mehr da. Er hatte sein Leben weitergelebt, während Jill bei der Organisation war. Doch Jill wollte sich nicht so einfach abfertigen lassen. Sie musste unbedingt Pater Sullivan in die Augen sehen. Sie musste ihm sagen, dass er sich getäuscht hatte.
    «Bringen Sie mich zu ihm!»
    «Aber ich …»
    Jill sah dem jungen Priester in die Augen und brach seinen Willen wie einen kleinen Zweig.
    O’Callaghan stand von seinem Stuhl auf. «Mein Wagen steht draußen auf dem Parkplatz.»
     
    Gelber Zorn blitzte in Laszlo auf. Er trat aufs Gas. Er musste sich beeilen.
    Zum ersten Mal seit damals im Labor sah Jill Pater Sullivans Farben. Sie nutzte sie, um sich in den labyrinthischen Korridoren von Saint Mary’s zurechtzufinden, bis sie vor seiner Tür stand. Sie hätte ihn einfach vernichten können, doch stand sie nur da, und aller Schrecken, den sie im Keller empfunden hatte, kehrte wieder. Galle stieg ihr die Kehle hinauf.
    Sie hustete, und plötzlich sah sie Pater Sullivans Farbe der Angst.
    «Ist da jemand?»
    Zwar konnte Jill seine Emotionen deutlich sehen, doch nur weil Pater Sullivans Stimme ängstlich bebte, hatte sie den Mut, die Tür zu öffnen. Einen Moment war sie perplex, als sie die hübschen Farben erblickte, die ihr entgegenstrahlten, bis sie merkte, dass sie dort keine Emotionen sah, sondern nur kunstvolle Buntglasscheiben, die vom Boden bis zur Decke reichten.
    «Hallo, Pater.»
    Pater Sullivan erschrak, während sein Gesicht alle Farbe verlor. Er riss die oberste Schublade seines Schreibtisches auf und holte mit zitternder Hand eine silberne Pistole hervor.
    «Komm mir nicht zu nahe!»
    «Pater, ich …»
    «Jill, ich weiß nicht, was du bist, aber du gehörst nicht in ein Gotteshaus!»
    «Bitte. Lassen Sie mich erklären. Ich habe sie getötet … ich habe sie alle getötet. Für Sie! Für Gott.»
    «Nein!» Pater Sullivan schüttelte den Kopf. «Wen du auch getötet haben magst: Du hast es für Satan getan. Genau wie du Schwester Christina verdorben hast. Aber ich habe ihr erklärt, wer du in Wahrheit bist. Und da hat sie geweint … vor Glück. Weil etwas in ihr geglaubt hatte, sie würde dich lieben.»
    Als der Name der schönen Nonne fiel, bekam Jill ganz weiche Knie. «Sie hat mich geliebt?»
    «Nein! Sie hat dich nie geliebt! Ein Ungeheuer hat sie verleitet, das zu tun, was sie getan hat! Und jetzt geh, oder ich schieße! Ich schwöre bei Jesus Christus, meinem Herrn, dass ich es tue!»
    «Nein, das werden Sie nicht tun!», zischte Jill vor Wut. «Sie haben sich in mir getäuscht. Wochenlang haben Sie mich gequält. Nie habe ich meinen Glauben verloren. Bis jetzt.» Jill trat vor und sah Pater Sullivan ins Gesicht. «Sie werden nicht mich töten. Sie werden sich selbst töten.»
    Sie erfüllte Pater Sullivan mit derart niederschmetternder Trauer, dass ihr selbst die Tränen kamen. Jill trat einen Schritt auf den Priester zu.
    «Sie waren es, der gesündigt hat. Weil Sie wertlos sind. Sie waren schon immer wertlos. Sie sind es, der nicht in ein Gotteshaus gehört. Sie sind es, der unwert ist.»
    Pater Sullivan ließ seine Waffe sinken.
    «Töten Sie sich, Pater!» Die Hand des Priesters fing

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