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Gnosis

Gnosis

Titel: Gnosis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Fawer
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eben … ich habe genickt. Ich hatte vergessen, dass du nicht sehen kannst.» Darian weinte leise. «Es tut mir so leid, Laszlo. Ich hätte dich nie allein gehen lassen dürfen. Ich weiß nicht, wieso ich erst gekommen bin, als …»
    «Aber du bist gekommen. Wahrscheinlich hast du mir das Leben gerettet.»
    «Aber nicht deine … ich meine … oh, Laszlo …»
    Laszlo konnte Darians Schuld und Reue spüren. Plötzlich überkam ihn unendliche Traurigkeit. Er hob die Hand und betastete vorsichtig den Verband auf seinen Augen.
    «Die sind nicht mehr zu retten, oder?», flüsterte er.
    «Nein», presste Darian hervor. «Beide Netzhäute sind abgelöst. Dietrich sagt, da ist nichts mehr zu machen.»
    Laszlo nickte. Er war wie betäubt. Sie saßen beieinander und sagten lange nichts.
    «Das ist meine Strafe», sagte Laszlo schließlich. «Verglichen mit einigen anderen, bin ich noch ganz gut weggekommen.»
    «Das ist nicht gerecht.»
    Laszlo zuckte mit den Schultern, zu müde, um zu widersprechen. «Es ist, wie es ist.»
    «Und jetzt?»
    «Wir sprechen mit Jill, und dann lassen wir sie gehen.»
    «Hast du keine Angst, dass sie irgendwas anstellt?»
    «Sie ist noch ein Kind. Und jetzt ist sie wie alle anderen. Wir werden sowieso alle unsere Identität ändern müssen, um vor der Organisation sicher zu sein. Sie wird uns nicht finden. Und falls doch, kümmern wir uns darum, wenn es so weit ist.»
    «Was wird aus dir und mir?», fragte Darian.
    Er fühlte ihre Hoffnung. Zu wissen, wie sie empfand, machte es ihm nicht leichter, aber er konnte sie nicht belügen.
    «Hier trennen sich unsere Wege.»
    Darian drückte seine Hand und hielt sie an ihr Gesicht. Er spürte ihre Tränen.
    «Laszlo, bitte, wir könnten nochmal neu anfangen. Wir könnten …»
    «Nein», sagte Laszlo und machte sanft seine Hand los. «Das können wir nicht.»
    «Aber …»
    «Meine Entscheidung ist endgültig», sagte Laszlo, und seine Kehle brannte. «Ich hoffe, du kannst das verstehen.»
    «Ja», sagte sie. «Aber ich musste es doch versuchen, oder?»
    «Das musstest du wohl.»
    Dann strichen Darians Lippen über seine Wange. Es dauerte nur einen Augenblick, der traurigste und süßeste Augenblick seines Lebens. Sie baute eine Mauer um ihren Geist, als sie vom Bett aufstand und ging. Seine Augen brannten unter dem Verband.
    Als er sich hinlegte, um zu schlafen, fragte er sich, ob er noch weinen konnte.

KAPITEL 57
     
     
    Jill schlug die müden Augen auf. Links standen Darian und Dietrich, die sie musterten, als wäre sie ein Tier. Rechts stand Laszlo. Aus seinem Gesicht war nichts zu lesen. Es war halb verdeckt von einem dicken Verband.
    Sie suchte seinen Geist, konnte ihn aber nicht finden. Und nicht nur Laszlos. Auch Darians. Dietrichs. Sie waren alle leer. Schlimmer als leer. Wenn sie in der Anlage einen Wachmann nicht fühlen konnte, dann spürte sie doch zumindest seinen Schutzschild.
    Jetzt war da nichts, nein – weniger als nichts. Nicht nur war ihre geistige Landschaft leergefegt – es gab gar keine Landschaft. Wo sie Emotionen hatte sehen können, war jetzt einfach nichts mehr. Sie starrte auf ihre Brust – keine Kette. Sie wollte ihren Körper absuchen, doch Hände und Füße waren an die Bettpfosten gefesselt. Sie schüttelte ihre Arme und Beine, spürte aber nirgendwo Metall auf ihrer Haut. Nur weiche Laken und ein weites Hemd.
    «Du trägst keine Kette», sagte Laszlo.
    «Wieso fühle ich dann nichts …?» Ihre Stimme verklang, und sie drehte sich zu Dietrich um. «Was haben Sie mit mir gemacht?»
    «Wir haben dich kastriert», sagte Darian böse und angewidert.
    «Das dürfen Sie nicht … Sie …»
    «Sei froh, dass du noch lebst», sagte Laszlo scharf. «Glaub nicht, ich hätte nicht mit dem Gedanken gespielt, dich zu töten.»
    Plötzlich bekam Jill einen ganz trockenen Mund.
    «Warum haben Sie es nicht getan?»
    «Weil du bei allem, was du angerichtet hast, auch selbst ein Opfer warst. Also hat Dr. Dietrich dafür gesorgt, dass du nie wieder in den Verstand eines anderen Menschen eindringen kannst.»
    Jill lief ein kalter Schauer den Rücken hinunter. Sie wollte es nicht glauben, sah aber an Darians zufriedener Miene, dass Laszlo die Wahrheit sagte. Jill musste schlucken. Sie hatte keine Ahnung, wie sie ohne ihre Gabe weiterleben sollte. Immer hatte sie sich gewünscht, normal zu sein, aber jetzt, da sie es war, bekam sie es plötzlich mit der Angst zu tun.
    «Nach diesem Gespräch wirst du uns nie wiedersehen. Du wirst nicht

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