Gnosis
ihm quälende Angst ein.
«Und jetzt beschaffen Sie mir einen Jeep! Bewegung!»
«Jawohl, Sir!»
Der Soldat rannte los und kam eine Minute später wieder.
«Von hier an übernehme ich», sagte Laszlo und winkte den Mann aus dem Wagen. «Und – um Himmels willen – Sie haben diese Kinder nie gesehen! Ein Wort, und wir braten alle in der Hölle. Kapiert?»
Laszlo ließ seinem Befehl eine Woge zermürbender Sorge folgen, die sich auf den Soldaten übertrug. Der salutierte hastig. Seine Hand zitterte.
«Jawohl, Sir!»
Ohne ein weiteres Wort setzte sich Laszlo hinters Steuer, und die anderen kletterten in den Jeep. Er fuhr zum Haupttor, das aufgebrochen war. Anstelle des Metallzauns standen dort vier Wachleute auf der Straße. Laszlo winkte sie beiseite. Eigentlich hatten sie den Jeep aufhalten wollen, doch dann beschlossen sie, sich den Anweisungen des Fahrers zu fügen.
Sie überlegten gar nicht weiter, warum.
KAPITEL 53
Jill winkte dem entgegenkommenden Auto und schirmte mit der anderen Hand ihre Augen vor den grellen Scheinwerfern ab. Sie sendete quälendes Mitgefühl aus, das einem Hündchen zur Ehre gereicht hätte, und der rote VW Käfer hielt mit quietschenden Reifen an. Der Fahrer kurbelte die Scheibe auf der Beifahrerseite herunter, als sie angelaufen kam.
«Alles in Ordnung?»
«Ja, danke», sagte Jill und beugte sich ins Auto. Der Fahrer war Anfang fünfzig. Er hatte Falten um Mund und Augen, und zwischen Lenkrad und Oberschenkeln klemmte ein fetter Wanst. Jill sah ihm in die Augen und bat ihn, sie mitzunehmen.
«Hm, so weit wollte ich eigentlich gar nicht …» Der Mann schwieg einen Moment, während Jill auf sein Bewusstsein einwirkte. «Ach, was soll’s? Steig ein.»
Als Jill sich angeschnallt hatte, fuhr er zurück auf die Fahrbahn.
«Sag mal», er fühlte sich offensichtlich unwohl. «Ist das … ist das da Blut an deinem Hemd?»
Jill betrachtete die roten Spritzer im geisterhaften Licht der Armaturen. Sie fragte sich, wessen Blut es sein mochte – Tanners oder Mandervilles. Es war alles so schnell gegangen. Noch immer glühten die Emotionen der beiden in ihr.
Der blaue Zorn, der über Manderville gekommen war, kurz bevor sie ihm befahl, Tanner zu töten. Dann die dunkelgrüne Schuld, die sie danach auf ihn losließ. Es stieg noch Rauch aus Mandervilles Waffe auf, als er sie sich in den Mund schob und abdrückte.
«Da muss ich wohl Glühwein verschüttet haben», sagte Jill und lehnte sich auf ihrem Sitz zurück. «Wecken Sie mich, wenn wir da sind.»
Laszlo sah die schlafenden Kinder auf dem Rücksitz. Nach dem, was sie erlebt hatten, waren sie erschöpft. Sie waren sofort eingeschlafen, als er ihnen Müdigkeit eingegeben hatte. Er trat aufs Gas. Er wollte an Jill dranbleiben. Zwar war ihnen das Auto, in dem sie saß, meilenweit voraus, aber Laszlo konnte selbst aus der Ferne ihr Bewusstsein spüren.
Eine Weile ließ er sich einfach treiben, wie hypnotisiert vom weißen Mittelstreifen, der unter dem Oldsmobile hindurchraste. Den Wagen hatten sie sich vor einer Stunde an der Raststätte von einem ahnungslosen Pechvogel «ausgeliehen». Während draußen die dunkle Landschaft vorüberflog, fragte er sich, ob die Organisation wohl schon nach ihnen suchte.
Ursprünglich hatte er zur New York Times gehen wollen, um denen einfach seine Geschichte zu erzählen. Doch das war vor ihrer Flucht gewesen, die Gott weiß wie viele Menschen das Leben gekostet hatte. Und als er nun einen Moment Zeit hatte, sich alles genau durch den Kopf gehen zu lassen, wurde ihm klar, dass er Elijah und Winter auf keinen Fall der Öffentlichkeit ausliefern durfte. Es war schon schlimm genug, dass sie mit der Erinnerung daran leben mussten, was geschehen war, aber der Welt von ihrer Gabe zu erzählen …
Er wünschte, er hätte ungeschehen machen können, was sie durchlitten hatten. Andererseits war es ein Segen, dass die Organisation sie vermutlich für tot hielt. Wenn die Kinder ihre Identität für sich behielten, würde die Organisation die Wahrheit vielleicht nicht erfahren. Man würde sie nie finden, es sei denn …
Es sei denn, man fand einen anderen Mann wie Laszlo, der Empathiker erkennen konnte. Er musste sich am Lenkrad festhalten, damit die Schuldgefühle ihn nicht überwältigten. Er sah in den Rückspiegel, doch diesmal fiel sein Blick auf Dietrich, der wie ein trauriger Welpe aus dem Fenster starrte.
«Ich weiß, wie wir die Kinder schützen können … und Jill aufhalten», sagte
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