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Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition)

Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition)

Titel: Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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Botschaft überbringen.
    Hylas wünschte sich plötzlich, er hätte den Stein nicht geworfen.

    Das Riesenschiff dümpelte träge in der Bucht. Noch nie hatte Hylas ein derart großes Schiff gesehen. Am schnabelförmigen Heck prangte ein großes gelbes Auge, dem nichts entging. Die Ruder an den Seiten wirkten wie die Beine eines gewaltigen Tausendfüßlers, aus dessen Rücken ein Baum mit breiten grünen Flügeln emporwuchs. Telamon hatte einmal behauptet, manche Schiffe hätten Flügel und könnten mit dem Wind fliegen, aber Hylas hatte seinem Freund nicht geglaubt.
    Unten am Strand schlug die Besatzung Zelte auf und schwärmte in die nahe gelegenen Pinienwälder aus, um Feuerholz zu sammeln. Diese Männer gehörten nicht zu den Krähen und mussten Keftiu sein. Sie waren bartlos wie der junge Mann im Grabhaus und trugen von Gürteln gehaltene Lendenschurze mit spiralförmigen Mustern an den Säumen. Sie waren mit Doppeläxten aus Bronze bewaffnet, deren gekrümmte Klingen an Mondsicheln erinnerten. Offenbar fürchteten sie keine Angreifer und hatte ihre Waffen nachlässig an einen Felsen gelehnt. Wussten sie denn nichts von den Krähen? Hatten sie keine Angst?
    Kurz darauf machte Hylas eine Entdeckung, bei der sein Herz schneller schlug. Am Schiffsheck war ein kleines Holzboot festgebunden. Wie ein eng an seine Mutter geschmiegtes Kälbchen schaukelte es in den sanften Brandungswellen. Das Boot lag nahe genug am Ufer, um hinüberzuschwimmen.

    Als es Abend wurde, schlich Hylas vorsichtig die Böschung hinunter in das dichte Gebüsch zwischen Zelten und Wald und richtete sich aufs Warten ein.
    Die Keftiu waren mit der Vorbereitung der Mahlzeit beschäftigt. Sie hatten eigene Tiere mitgebracht, und Hylas beobachtete, wie sie ein Mutterschaf töteten und häuteten. Während es sich zischend am Spieß drehte, nahmen sie die in einem Netz gefangenen Fische aus und garten sie in der Glut. Sie mischten den Wein aus Krügen mit Wasser, rösteten Gerstenbrot und zerkrümelten Käse. Es dauerte nicht lange, bis Hylas der betörende Duft von gegrilltem Lamm und zischendem Fett in die Nase stieg.
    Der Eingang eines Zeltes wurde zurückgeschlagen und eine Frau trat heraus. Mit einem Mal kam es Hylas nicht mehr so einfach vor, das Boot zu stehlen.
    Die Frau war offenbar eine Priesterin. Sie trug ein eng anliegendes grünes Jäckchen, dessen tiefer Ausschnitt ihren Brustansatz entblößte. Der Jackenkragen war mit taubeneigroßen blutroten Edelsteinen geschmückt. Ihr knöchellanger Rock glich einem Meer aus purpurroten und blauen Wellen und war mit zierlichen kleinen Fischen gesprenkelt, die wie Sonnenstrahlen glitzerten. Goldfarben waren auch die Schmuckschlangen, die ihre Arme und das schwarze Kraushaar umwanden. Die spitz zulaufenden, gelben Fingernägel erinnerten an die Krallen eines Falken, ihr hochmütiges Gesicht war kalkweiß geschminkt.
    Sogar aus der Entfernung spürte Hylas die Macht dieser Frau. Was sollte er jetzt tun? Eine Priesterin zu bestehlen war gefährlich, womöglich schickte sie ihm die fürchterlichsten Verwünschungen hinterher.
    Ein Sklave reichte ihr eine Steinschale, so dünnwandig, dass Licht hindurchschimmerte. Während sie Weintropfen ins Feuer spritzte, stimmte sie einen Gesang in ihrer merkwürdig klickenden Sprache an. Anschließend trat sie ans Ufer und warf Fettstücke in die Wellen. Die Opfer für die Götter waren gebracht, und die Männer ließen sich zur Mahlzeit nieder. Die Priesterin jedoch blieb am Ufer stehen und blickte unverwandt aufs Meer hinaus.
    Eine Krähe stieß auf eines der Fettstücke herab und glitt dann an ihr vorüber. Sie ließ den Vogel nicht aus den Augen, und Hylas hatte das schreckliche Gefühl, es sei dieselbe Krähe, die er vorhin mit dem Stein verscheucht hatte und die der Priesterin nun von ihm berichtete.
    Tatsächlich wandte sich die Frau plötzlich zu seinem Versteck um. Hylas erstarrte. Ihr dunkler Blick wanderte bis zu ihm, er spürte ihre Willenskraft und musste den Drang niederkämpfen, aus dem Gebüsch zu treten und sich zu ergeben.
    In diesem Augenblick kam ein Mädchen aus einem Zelt gerannt und rief wütend etwas in der Sprache der Keftiu.
    Alle drehten sich zu ihr um, und Hylas atmete erleichtert auf. Die Priesterin hatte ihren durchdringenden Blick von ihm gelöst.
    Das Mädchen mit den dunklen Augen und dem krausen Haar ähnelte der Priesterin und war vermutlich ihre Tochter. Während die Frau einem schönen Falken glich, erinnerte die Tochter eher an

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