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Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition)

Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition)

Titel: Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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ihn keines Blickes gewürdigt. Sogar er, der wie ein großer Bruder für sie war, hatte sie hintergangen.
    »Es tut mir leid«, sagte er leise. »Ich durfte dir nichts davon sagen.«
    »Seit wann weißt du darüber Bescheid?«, hatte sie gefragt, ohne ihn anzusehen.
    »Seit der vorletzten Ernte.«
    »Seit zwei Jahren?«
    Er schwieg.
    »Deswegen warst du so erpicht darauf, dass wir Achäisch lernen«, fuhr sie bitter fort. »Du hast gesagt, es würde Spaß machen, die Sprache von dem Alten in der Weberhütte zu lernen, dann hätten wir etwas zu tun .«
    »Ich habe gedacht, es könnte dir helfen, wenn du ihre Sprache verstehst.«
    »Du hast mich in dem Glauben gelassen, ich würde eines Tages frei sein.«
    Er runzelte die Stirn und strich seinen Schurz glatt. »Du hattest ein bisschen Hoffnung bitter nötig«, murmelte er. »Jeder hat Hoffnung nötig, sie ist das Lebenselixier der Menschen. Nur die Hoffnung hält uns am Leben.«
    »Selbst wenn es sich dabei um eine Lüge handelt?«
    »Ja, sogar dann.«
    Erst nachdem sie ihn ungnädig weggeschickt hatte, war ihr klar geworden, dass er damit auch von sich selbst gesprochen hatte. Als Zehnjähriger war Userref aus Ägypten geraubt und als Sklave in den Tempel der Göttin verkauft worden. Obwohl seither dreizehn Jahre vergangen waren, hatte er die Hoffnung nicht aufgegeben, eines Tages in seine Heimat zurückzukehren.
    Zwischen dem Frachtgut eingezwängt, wand sich Pirra hin und her. Userref hatte ihr einen Wasserschlauch gegeben, damit sie sich notdürftig säubern konnte, aber der säuerliche Geruch nach Erbrochenem blieb haften.
    Im Halbdunkel fiel ihr Blick auf den Brautschatz mit den Geschenken für den Stammesfürsten der Lykonier. Mannshohe Krüge mit kräftigem, dunklem Wein, gefärbte Leinenballen, Alabasterfläschchen mit parfümiertem, nach Mandeln stinkendem Öl, und natürlich die unvermeidlichen Zinnbarren. Vor Empörung schlug Pirras Herz heftiger. Wie einen Teil der Fracht hatte man sie einfach zu dem Brautschatz gepackt.
    Ihre Mutter hatte sie damit für ihren heftigen Protest bestraft. Sie hatte außerdem befohlen, dass sie bei ihrer Ankunft in Lykonien zunächst etwas abseits der Küstensiedlungen anlegen sollten, um Pirra aus dem Bauch des Schiffes zu lassen und gebührend herauszuputzen, ehe der Führer der Lykonier sie zum ersten Mal zu Gesicht bekam.
    Vor der Abfahrt aus Keftiu hatte Userref ihr Mut zugesprochen. »Ich bin mit dir an Bord«, hatte er gesagt. »Du bist nicht allein.«
    Daran hatte sie sich geklammert. Doch sobald sie an die Zukunft dachte, kam es ihr vor, als müsste sie ersticken.
    Von Achäa wusste sie lediglich, dass es weit weg im Norden von Keftiu lag. Die Bevölkerung bestand aus kriegslüsternen Wilden, denen man nicht trauen konnte. Die Lykonier lebten im südlichen Teil des Gebietes und waren die Schlimmsten von allen. Achäer erbauten weder Tempel für ihre Göttinnen, noch gab es Hohepriesterinnen. Stattdessen hatten sie Stammesfürsten und gut befestigte Siedlungen. In einer davon würde Pirra ihr ganzes restliches Leben verbringen, hatte Yassassara erklärt.
    Diese Vorstellung war einfach unerträglich: Sie kam von einem Gefängnis ins nächste …
    »Lasst mich hier raus!«, brüllte sie und hämmerte gegen die Planken. »Lasst mich sofort raus!«
    Natürlich ließ sich niemand blicken.
    Du bist nicht hier , redete sie sich aufgebracht ein. Du bist nicht in diesem stickigen Frachtraum, sondern fliegst draußen mit dem Falken.
    Sie kniff die Augen zusammen und rief sich mit aller Kraft den Moment zurück, als Userref ihr die Binde abgenommen und sie von Deck aus ungläubig in die lichte Weite geblinzelt hatte.
    Das Meer. Sie sah es zum ersten Mal. Weiße Tauben waren am goldfarbenen Strand aufgeflattert, grüne Segel hatten sich vor dem unendlichen Blau des Himmels gebläht.
    Da war es plötzlich geschehen: Gerade noch hatte Pirra sich den Hals verrenkt, um die Wolken zu bestaunen, als sie plötzlich ein Geräusch wie zerreißende Seide vernahm, und dann schoss ein dunkler Blitz herab.
    Mit großen Augen hatte das Mädchen beobachtet, wie der Angreifer auf die Taubenschar herabstieß. Die Vögel waren aufgeflattert, aber der Feind war zu schnell und hatte im Nu zugeschlagen. Kurz darauf war er in einer eleganten Kurve aus dem Schwarm aufgestiegen und mit langen Flügelschlägen davongeflogen, eine schlaffe, tote Taube im Schnabel.
    »Was war denn das?«, hatte sie atemlos gefragt.
    Dem schwarzen, sich rasch entfernenden

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